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»Grüner Pass«: Corona-Status soll mit Einkommens- und Ausbildungsdaten verknüpft werden

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»Grüner Pass«: Corona-Status soll mit Einkommens- und Ausbildungsdaten verknüpft werden

»Grüner Pass«:

Im „Grünen Pass“ sollen künftig aktuelle Gesundheitsdaten mit historischen Daten über das Erwerbsleben, das Einkommensniveau, Bildungsweg oder Krankenstände verknüpft werden. Datenschützer drohen bereits mit einer Verfassungsklage.

 

Wien, 19. Mai 2021 | Die österreichweiten Öffnungen am heutigen Mittwoch starten vorerst mit Nachweisen in Papierform. Als Eintrittskarte gelten dabei Impfpass, Testzertifikate, ärztliche Atteste oder Absonderungsbescheide. Fix scheint nun auch, dass der digitale „Grüne Pass“ in Form eines QR-Codes am Handy, der ursprünglich schon für April angekündigt worden ist, am 4. Juni eingeführt werden soll. Das bestätigten sowohl Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), als auch Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP).

Für die Umsetzung des digitalen Nachweises ist eine Änderung im Epidemie- und Covid-Maßnahmengesetz notwendig. Eine diesbezügliche Novelle wurde nun vom Gesundheitsministerium in Begutachtung geschickt.

Geplant ist, dass die in der ELGA-Infrastruktur vorgenommenen Impfungen in ein anderes Register, das Epidemiologische Meldesystem (EMS), kopiert werden. In dieser Datenbank werden Covid-19-Erkrankte mit geimpften Personen zusammengeführt, womit dort fast die gesamte österreichische Bevölkerung abgebildet sein wird.

Datenschützer schlagen Alarm

Vor allem bei Datenschützern sorgt ein Detail der Novelle besonders für Aufregung: In diesem Register soll eine Verbindung mit aktuellen und historischen Daten über das Erwerbsleben, das Einkommen, etwaige Arbeitslosigkeiten, den Bildungsweg, Reha-Aufenthalte und Krankenstände einer Person vollzogen werden.

Für die Grundrechts-Plattform epicenter.works, die seit einem ersten Aufkommen der Pläne des „Grünen Passes“ vor möglichen Folgen warnen, wäre dieser Schritt ein massiver Einschnitt in die Privatsphäre. Sollte dieses Gesetz beschlossen werden, droht die NGO sogar mit einer Verfassungsklage.

“Fast alle unserer Lebensbereiche werden in dieser Datenbank durchleuchtet werden. Mit diesem Register entstehe praktisch eine Datenbank über annähernd die gesamte Bevölkerung, welche sensible Gesundheitsdaten mit ‚fast willkürlichen Lebensbereichen verknüpft‘”,

sehen sich epicenter.works in ihren damaligen Befürchtungen bestätigt.

Warum die Verknüpfung?

Im Gesetz heißt es wörtlich, dass der Gesundheitsminister “zum Zweck der epidemiologischen Überwachung sowie des Monitorings der Wirksamkeit” der Corona-Maßnahmen Daten in Bezug auf gesundheits-, sozial-, erwerbs- und bildungsstatistische Merkmale verarbeiten darf und die ihm von der ELGA GmbH übermittelten Daten mit dem Register verknüpfen kann und diese Daten zum “Zweck des Ausbruchs- und Krisenmanagements, wie etwa für die Ermittlung von Impfdurchbrüchen, von Ausbruchsclustern oder für die Kontaktpersonennachverfolgung” verarbeiten darf.

Das will epicenter.works aber nicht so stehen lassen. Zwar sollen diese Daten pseudonymisiert werden, aber die Kombination der Daten zu Bildungsweg, Krankenständen, Erwerbshistorie und Genesungs- bzw. Impfstatus mache es möglich, Personen eindeutig in dieser Datenbank zu identifizieren, heißt es in einem ausführlichen Beitrag auf der Website der Datenschützer.

Diese Daten sollen dann zusätzlich im Statistik-Register gespeichert werden, was wiederum den Kreis der Zugriffsberechtigen immens erweitern würde. Dadurch entstehe ein großes Missbrauchspotential.

Heftige Kritik an neuem Gesetz

Die Datenschützer erinnern in ihrem Beitrag auch daran, dass die Regierung bereits vier Anläufe gestartet hat, um die Weichen für die Verwendung des “Grünen Passes” zu stellen. Eine öffentliche Begutachtung gab es dafür nie, wie der Geschäftsführer von epicenter.works, Thomas Lohninger, bereits im April gegenüber ZackZack kritisierte.

Und auch die Opposition geht mit den Vorhaben der Bundesregierung hart ins Gericht. Während die NEOS von einer “Husch Pfusch-Bastelei” und einem “Datenfiasko” sprechen, sieht die FPÖ die Zeit des “gläsernen Bürgers” gekommen. Auch der Gesundheitsspecher der SPÖ, Philip Kucher, nennt das neue Gesetz “überfallsartig”.

Zudem sehen Juristen, wie etwa der Rechtsanwalt Florian Horn, die seit Mittwoch in Kraft getretene Verordnung, die die Zugänge zu öffentlichen Einrichtungen regelt, zum Teil als “gesetzeswidrig” an. Denn die bis jetzt vom Bundesrat blockierten Änderungen treten erst Ende Mai in Kraft.

Digitaler Impfnachweis in der Schweiz gescheitert

Währenddessen ist ein ähnliches Projekt in der Schweiz gescheitert. Aufgrund erheblicher Datensicherheitsmängel musste der Staat seine einzige Plattform für digitale Impfnachweise endgültig schließen. Die Stiftung meineimpfungen war vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) mit dem Betrieb eines “elektronischen Impfbüchleins” beauftragt und dafür finanziell unterstützt worden. 450.000 Schweizer haben in der Impfdatenbank freiwillig ihre Impfungen elektronisch registriert, darunter 240.000 Covid-Geimpfte.

Neben erheblichen Sicherheitslücken im Code wurden die Registrierungen kaum kontrolliert. So konnte sich etwa jeder beliebige Mensch auf der Plattform als Arzt ausgeben und so Einsicht in sensible Daten erhalten, wie das Online-Magazin “heise” berichtete.

Großbritannien öffnet ohne Nachweise

Großbritannien, das am Montag die dritte Phase der Öffnungen vollzogen hat und seiner Bevölkerung derzeit ähnliche Freiheiten wie Österreich seiner zurückgibt, verzichtet beim Einlass in Gastronomie oder Sportbetrieben auf sämtliche Nachweise für den Zutritt, sowohl in Papier- als auch in digitaler Form. Das Land ist beim Durchimpfen der Menschen jedoch um ein großes Stück weiter als Österreich, die Gefahr eines erneuten Ausbruchs derzeit wesentlich geringer.

(apa/mst)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Markus Steurer

    Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.

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