“Warnschilder” und erste Übergriffe:
Die Islam-Landkarte zeigt bereits erste negative Folgen. In Wien stellten Rechtsextreme “Warnschilder” unweit einiger muslimischer Einrichtungen auf. Auch in Salzburg kam es zu Übergriffen.
Wien, 02. Juni 2021 | Eigentlich sollte die Islam-Landkarte als „Integrationsmaßnahme“ dienen, so hat es zumindest Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) letzte Woche bei der Präsentation beschrieben. Doch die Aktion brachte bis jetzt gegenteilige Effekte und rief Rechtsextreme auf den Plan.
“Warnschilder” in Wien aufgestellt
„Achtung! Politischer Islam in deiner Nähe“, war Mittwochvormittag auf mehreren aufgehängten Schildern in Wien zu lesen. Schnell machten diverse Fotos auf Twitter die Runde und sorgten für eine Welle der Empörung.
Der Segen der Islam-Landkarte hinterlässt auch schon Spuren in der Leopoldstadt. Vielen Dank Frau Minister für die Stigmatisierung und Hetze @susanneraab_at. @karlnehammer bitte die Einrichtungen beschützen. pic.twitter.com/JNFqZ8srXi
— Omar Al-Rawi (@oalrawivienna) June 2, 2021
Die selbst gebastelten „Warnschilder“ waren in der Nähe zu islamischen Einrichtungen montiert worden. Unter der Aufschrift wurde auf die Islam-Landkarte, die alle über 600 islamischen Organisationen in Österreich erfasst und näher beleuchtet, verwiesen. Unter anderem wurden derartige Schilder in der Leopoldstadt, in Favoriten und in Meidling entdeckt, die MA48 kümmert sich bereits um die Entfernung.
Drahtzieher kommen aus rechtsextremen Kreisen
Schnell war klar, wer vermutlich hinter der Aktion steckt. Ein Blick in die Telegram-Gruppe von Identitären-Drahtzieher Martin Sellner und auf die Twitter-Seite von “Widerstand in Bewegung” zeigt junge Männer beim Aufhängen der Schilder.
https://twitter.com/WiderstandB/status/1399895819323596803
Der SPÖ-Politiker Muhammed Yüksek hat dies in einem Facebook-Post öffentlich gemacht und Raab dabei hart in die Kritik genommen: “Susanne Raab hat den Anfang gemacht, die ‘Aktivisten’ setzen fort! Wir fordern die Offlinestellung der Landkarte und ihren Rücktritt von allen Integrationsagenden!”
Ludwig verurteilt Aktion, ÖVP verteidigt Landkarte
Auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) übte am Mittwoch harsche Kritik an den Schildern: “Ich verurteilte auf schärfste Aktionen dieser rechtsextremen Kreise, die sich zum Ziel setzen, Menschen zu stigmatisieren”, sagte er in einer Pressekonferenz. Was er mindestens so ernste nehme, sei jedoch das, was im “politischen Vorfeld” geschehen sei. Er habe gewarnt, dass keine Schritte gesetzt werden sollten, die Personengruppen in einer Großstadt wie Wien auseinanderdividieren würden.
Die Wiener ÖVP versicherte, dass das Ziel der Landkarte die “Transparenz und Sichtbarmachung von islamischen Netzwerken und Vereinskonstruktionen” sei. Diese würden oftmals gerade in Wien “undurchsichtig” agieren, beklagte Wiens VP-Klubchef Markus Wölbitsch in einer Pressekonferenz. Die ÖVP stelle sich gegen jede Art des Extremismus – “egal ob von links, von rechts oder über den politischen Islam”.
Übergriffe in Salzburg
Der oben genannte Muhammed Yüksek war es auch, der auf Facebook über weitere islamfeindliche Übergriffe berichtet hat. Schauplatz war diesmal Salzburg. Dabei wurden die Fenster einer Moscheeinrichtung mit den Worten “Der Führer ist wieder zurück” beschmiert.
Islam-Landkarte offline
Die sogenannte “Islam-Landkarte”, die alle über 600 islamische Organisationen in Österreich erfasst und näher beleuchtet, sorgt seit ihrer Vorstellung für Wirbel. Die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) etwa sieht darin eine “Grenzüberschreitung” und will rechtlich dagegen vorgehen. Die Uni Wien untersagte die Verwendung ihres Logos.
Kritik daran kam zuletzt auch vom geschäftsführenden Vorsitzenden der Kommission Weltreligionen der Österreichischen Bischofskonferenz, Markus Ladstätter. Zuvor hatten sich schon Grüne, NEOS und SPÖ sowie der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka und ein Beauftragter des Europarats kritisch geäußert. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wiederum hatte sich hinter die Karte gestellt, die FPÖ sah sich in ihren Warnungen zur Migration aus muslimischen Ländern bestätigt.
Seit Donnerstag ist die Islam-Landkarte offline. Der wissenschaftliche Projektverantwortliche, Ednan Aslan von der Universität Wien erklärte in einer Presseaussendung, er bedaure, “dass es in den letzten Tagen vermehrt zu politischer Instrumentalisierung gekommen ist.” Gegenüber “Heute” erklärte Aslan, die Karte sei wegen technischer Schwierigkeiten offline und solle am Montag wieder in Betrieb gehen.
(mst)
Update: Der letzte Absatz wurde am 03. Juni um 07:50 ergänzt und um 09:45 überarbeitet.
Titelbild: zVg