Rabensteiner
„Gegen all euer Leiden verschreibe ich euch Lachen“, sagte der französische Arzt und Humanist François Rabelais. Die wöchentliche Dosis Medizin verabreicht Fritz Rabensteiner.
Von Fritz Rabensteiner
Wien, 10. Juli 2021 |Ich bin jetzt ein Star. Diesen Satz memorierte Andreas Hanger, während er auf der A1 mit Vollgas Richtung Heimat unterwegs war. Er galt jetzt als heller Stern am türkisen Nachthimmel. Der James Hunt der ÖVP. Der Stirling Moss der Kanzlerpartei. Der Niki Lauda des Mostviertels. Ob er auch ein Kapperl tragen sollte? Jedenfalls kein rotes. Und es würde seine Frisur zerstören. Also eher nein. Er wusste, dass er sich in seiner jetzigen Situation auch um Merchandising kümmern musste. Kurz würde nicht ewig Kanzler bleiben und dann wäre er, bei geschickter Selbstvermarktung, als Nachfolger in der Poleposition. Hangman-Muscle Shirts würden sicher gut ankommen. Ein Renner auf jedem Kirtag. Taschenfeitel. Flaschenöffner. Igel als Schlüsselanhänger. Nussknacker. Daraus folgend Hanger Nussöl. Ob der Name geschützt war? Falls ja, würde er bei Günther Platter intervenieren. Man würde sehen.
Der Tacho zeigte 160 km/h. Nichts und niemand würde es wagen ihn zu blitzen. Und falls doch, dann wäre dieser Irrtum der Exekutive rasch aufgeklärt. Die Zivilstreife konnte Hanger allerdings nicht rechtzeitig erkennen, und als ihn diese auf Höhe Melk auf den nächsten Parkplatz nötigte überlegte er fieberhaft, was Marko Arnautović einst einem Beamten entgegen geschleudert hatte. Er glaubte sich zu erinnern, dass Arnie kürzlich beim Spiel gegen Nordmazedonien seinen Gegenspieler mit folgenden Worten beleidigt hatte: „Ich kaufe dein Leben.“ Aber das passte hier und jetzt nicht. Als einer der Beamten schließlich seine Papiere verlangte, fiel es Hanger glücklicherweise wieder ein. Mit einem entschiedenen „Wissen sie, wer ich bin?” verweigerte er deren Herausgabe und fügte hinzu: „Ich f*cke deine albanische Mutter.“ Die darauf erfolgte Amtshandlung würde Nehammer hoffentlich unter den Teppich kehren und die Beamten versetzen. Als Kanzlerkandidat konnte er jetzt keinen Wirbel brauchen.
Schon nächste Woche würde er im Parlament dafür sorgen, dass Zivilstreifen künftig deutlich als solche zu kennzeichnen waren. Und dass die Ankündigung oder der Vollzug eines Geschlechtsverkehrs mit albanischen Müttern keine Beamtenbeleidigungen waren, sondern lediglich ein Ausdruck der Freude und Wertschätzung. Insbesondere dann, wenn der Beamte kein gebürtiger Albaner war. Hanger verließ die Autobahn bei Amstetten-West und erreichte über Kematen, Sonntagberg, Böhlerwerk und Waidhofen an der Ybbs seine Heimatgemeinde Ybbsitz. Zu Hause angekommen entledigte er sich seiner Kleidung und ging ins Bad, um sich bettfertig zu machen. Er bürstete alle Haare zu einem rechteckigen Plateau nach oben und nahm mit der Nagelschere kleinere Korrekturen vor. Wer im Rampenlicht steht, muss auf sein Äußeres achten. Haargel hatte er nicht nötig. Das war etwas für Weichlinge. Seine Haare waren wie Borsten.
Er hatte schon überlegt, ob es sich dabei um einen genetischen Defekt handeln könnte, der über viele Generationen weitergegeben worden war. Früher waren die Winter hart und da konnte es schon vorkommen, dass in entlegenen Dörfern der Genpool ausgedünnt und jeder mit jedem verwandt war. Enger als erlaubt. Sollten ihn seine politischen Gegner doch ruhig einen Igel auf Drogen nennen. Einerlei. Seine Gene waren top. Es hieß zwar gelegentlich ihm fehle das Foto-Gen, aber die Frisur war jetzt sein Markenzeichen. Und er war stolz darauf. Top Hair International und Deroesterreichischefriseur.at hatten bereits wegen Interviews angefragt. Das Baumpflegeportal Goldener Schnitt ebenso, aber das dürfte wohl ein Missverständnis gewesen sein. Er zog seinen Bademantel an. Chinesische Seide. Tigerprint-Optik. Maßanfertigung. Hanger trat ans Fenster. Sein Gemächt baumelte im Abendwind, vor ihm lag Ybbsitz. Es hatte, und da stimmte er mit seiner Frau überein, schon wesentlich bessere Zeiten erlebt. Ybbsitz hingegen ging es prächtig.
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Titelbild: APA Picturedesk