Pilz am Sonntag
Wird aus dem Kurz-Strohmann Schallenberg ein eigenständiger Bundeskanzler? Die Antwort wird eine Personalentscheidung bringen: Bleibt der Kurz-Vertraute Bernhard Bonelli Schallenbergs Kabinettschef oder beginnt der neue Kanzler, reinen Tisch zu machen?
Wien, 24. Oktober | Am 6. Mai 2021 lässt die WKStA Bernard Bonelli als Beschuldigten eintragen. Ihm und seinem Chef, Bundeskanzler Kurz, wird mit § 288 StGB falsche Zeugenaussage im Ibiza-U-Ausschuss vorgeworfen.
Aber das ist längst nicht alles, was gegen Bonelli vorliegt. Am 30. April 2019 lobt Kurz-Kabinettschef Bonelli seinen Chatpartner Thomas Schmid: „… hat alles gut funktioniert, bei den Millionen, die ihr in den letzten Monaten in die Medien gepumpt habt, auch kein Wunder“.
Unter Bonellis Regie ist gerade die Steuerreform mit der ÖVP ausverhandelt worden. Schmid ist mit Bonelli zufrieden: „Die Experten ziehen mit und der ORF spricht von über 8 Mrd! Hut ab, extrem professionelle Präsentation, tolle Leistung.“
Bonelli und Schmid arbeiten eng abgestimmt. Bonelli sorgt für die Ergebnisse und ist genau informiert, wie Schmid mit Millionen aus dem Finanzministerium dafür positive Berichterstattung kauft. Die WKStA hält fest, „dass der Kabinettschef von KURZ Timing und Inhalt der erwarteten Berichterstattung mit „den Millionen, die ihr in den letzten Monaten in die Medien gepumpt habt, auch kein Wunder” in Verbindung bringt.“
ZackZack und “Profil” und einige andere haben über die Chats berichtet. Schallenberg ist informiert, dass sein Kabinettschef in die Inseratenaffäre verwickelt ist. Aber er tut nichts – bis jetzt.
„Termin bei Sebastian“
Vielleicht weiß Schallenberg noch nicht, dass Dutzende weitere Chats beweisen, wie tief Bonelli in die ÖIAG-Affäre rund um Thomas Schmid verwickelt ist. Die Dokumente lassen keine Zweifel: Bonelli ist eine der Hauptsäulen, auf denen das Kurz-Regime nach wie vor steht.
Am 21. Jänner 2019 ärgert sich Bonelli, dass die türkise Aktion „ÖBAG-Aufsichtsrat“ nicht nach Plan läuft: „absoluter Dilettantismus“. Schmid nennt ihm eine mögliche Vorsitzende ein, für die etwas spricht: „Die kennt Sebastian“. Bonelli antwortet: „Hab ich ihm heute schon vorgeschlagen – noch kein feedback“.
Bei der Auswahl einer weiteren Person erklärt Bonelli, wie die Postenvergabe zwischen Kurz, Finanzminister Löger, Schmid und Bonelli läuft: „Wenn wir alle drei ein gutes Gefühl haben, machen wir für sie einen Termin mit Sebastian. Ok?“
Die Chats beweisen, dass die Posten, die Kurz als Kanzler verteilt, über Bonellis Schreibtisch gehen. Auch bei der Günstlingswirtschaft in den Unternehmen des Finanzministeriums ist der – sachlich unzuständige – Kabinettschef der Mann mit den Fäden in der Hand.
Strohmann oder Kanzler?
Jetzt hat Bonelli eine neue Aufgabe. Als enger Vertrauter von Sebastian Kurz soll er im Kabinett dafür sorgen, dass die Kurz-Befehle aus dem ÖVP-Klub vom neuen Kanzler befolgt werden.
Mit seiner neuen Linie in der COVID-Bekämpfung ist Schallenberg ein erstes Mal vom Kurz-Kurs abgewichen. Im Gegensatz zu Sebastian Kurz schielt Schallenberg bei den Maßnahmen gegen die Pandemie nicht auf die Corona-Leugner. Taktik und Propaganda scheinen erstmals weniger wichtig als die Lösung eines Problems.
Aber Schallenbergs Kanzlerschaft wird erst aus dem Schatten von Kurz treten, wenn die Kurz-Altlasten aus Regierung und Kabinett entfernt sind. Schallenberg kann nicht warten, bis die WKStA die Ermittlungen gegen seinen Kabinettschef erweitert. Er muss sich von Bonelli trennen. Nur so kann er die türkise Leine, an der er hängt, durchschneiden und vom Kurz-Strohmann zum Kanzler werden.
Titelbild: ZackZack