Ausgerechnet
Der Krieg in der Ukraine treibt die Strompreise hoch, wegen der Klimakrise werden sie nicht so schnell wieder sinken. Ein Energiepreis-Deckel könnte helfen.
Joel Tölgyes
Wien, 28. Mai 2022 | Ukraine-Krieg und Wirtschaftsaufschwung sorgen momentan für hohe Energiekosten. Durch Heizungstausch, E-Mobilität und Wasserstoffgewinnung wird der Energiebedarf in Zukunft steigen und wohl auch langfristig zu höheren Preisen führen. Damit Grundbedürfnisse wie Heizen leistbar bleiben, könnte die Politik einen Energiepreis-Deckel für den Grundbedarf einführen.
Das teuerste Kraftwerk gibt den Preis vor
Coronakrise, Klimakrise und jetzt auch noch die Energiepreiskrise. Die Bevölkerung ächzt unter den steigenden Energiepreisen, während Energiekonzerne, wie der Verbund, überdurchschnittlich hohe Gewinne einfahren. Erneuerbare Energieerzeuger profitieren von der Ausgestaltung des europäischen Strommarkts: Das sogenannte „Merit-Order-Prinzip“ führt dazu, dass das jeweils teuerste stromproduzierende Kraftwerk den Preis vorgibt. Nachdem das meistens ein Gaskraftwerk ist, das mit aktuell sehr teurem Gas betrieben werden muss, liegt der Strompreis entsprechend hoch.
Während man dieses Prinzip in der aktuellen Lage infrage stellen sollte, ist klar, dass die eigentliche Wurzel allen Übels an einer Reihe von Versäumnissen in der Vergangenheit liegt. Zu lange haben wir uns in Österreich auf unseren Wasserkraftwerken ausgeruht. Wenn Landeshauptleute mit stolz geschwellter Brust verkündet haben, sicher kein (neues) Windkraftwerk mehr zu genehmigen, folgte am Stammtisch wohl zu oft tosender Applaus – selbst in der Energiepreiskrise tut sich die Politik mit klaren Ansagen in Richtung Erneuerbaren-Ausbau schwer.
Teilprivatisierung als Problem
Mit der aktuellen Situation wird aber auch klar: Die von manchen bejubelte (Teil-)Privatisierung von früheren Staatsunternehmen – wie dem Verbund – war vielleicht doch keine so gute Idee. Denn durch die Ausgestaltung als profitorientierte Aktiengesellschaft geht es dem Verbund eben nicht um eine möglichst breite, kostendeckende Bereitstellung von erneuerbarer Energie, sondern um Profitmaximierung – daran kann auch der Staat als Mehrheitseigentümer nichts ändern.
Ist der Staat deshalb machtlos? Nein. Kurzfristig könnte er mit einer Übergewinnsteuer einen Teil der überdurchschnittlich hohen Gewinne von Energiekonzernen abschöpfen. Solche Übergewinnsteuern gab es in der jüngeren Geschichte schon öfter, etwa wenn Unternehmen, die von Kriegen profitierten, besteuert wurden. Es gibt sie auch heute wieder: Griechenland, Italien und Großbritannien schöpfen die zusätzlichen Kriegsgewinne der Energiekonzerne mit einer solchen Sondersteuer ab und finanzieren so ihre Maßnahmen gegen die Teuerung.
Klimakrise sorgt für höhere Preise
Trotzdem stellt sich die Frage, wie man langfristig mit höheren Energiekosten umgehen kann. Denn während die aktuellen Energiepreise vor allem mit dem Krieg in der Ukraine und der Post-Corona-Wirtschaftserholung zusammenhängen, könnten die Energiepreise auch in Zukunft höher sein als noch vor ein paar Jahren. Der Grund: Die Klimakrise.
Tauschen wir Gas- und Ölheizungen gegen klimafreundliche Wärmepumpen, dann brauchen wir zwar endlich keine fossilen Energieträger mehr fürs Heizen, dafür aber Strom. Ähnliches gilt fürs Autofahren: Werden Verbrenner gegen E-Autos getauscht, dann steigt auch hier der Bedarf an elektrischer Energie. Der Strombedarf wird in Zukunft also drastisch steigen. Gleichzeitig müssen wir Gas- und Kohlekraftwerken endgültig den Rücken kehren.
Energiesparen als gesellschaftliche Herausforderung
Wir stehen somit vor einer gesellschaftlichen Herausforderung: Wo nur möglich müssen wir Energie einsparen, während Grundbedürfnisse – wie Mobilität oder Heizen – leistbar bleiben müssen. Seitens der Infrastruktur ist der Handlungsauftrag klar: Österreich sollte beim Erneuerbaren-Ausbau endlich Meter machen und öffentliche Verkehrsmittel – die energieeffizienter sind als E-Autos – flächendeckend ausrollen.
Preisdeckel für den Grundbedarf
Damit Strom auch für andere Grundbedürfnisse leistbar bleibt, wären zusätzlich Energiepreisdeckel für einen definierten Grundbedarf eine gangbare Option. Konkret könnten die ersten 1.250 Kilowattstunden Strom pro Jahr – das entspricht der Hälfte des durchschnittlichen österreichischen Haushalts-Stromverbrauchs – mit einem Höchstpreis gedeckelt werden. Ein Teil des Stromverbrauchs fürs Heizen, fürs Kochen und für andere Haushaltsgeräte wäre günstig. Stromverbrauch darüber hinaus wäre allerdings teurer, womit ein Anreiz zum Energiesparen entsteht. Vielverbrauchern wie dem Villenbesitzer am Wörthersee könnte man sogar noch eine zusätzliche Verbrauchssteuer obendrauf schlagen. Progressive Energiebesteuerung nennt sich das.
Durch den Preisdeckel würden den Energieversorgern Einnahmen entgehen. Einen Teil dieser Verluste könnte der Staat über Zuschüsse an die Energieversorger rückerstatten. So könnten die Energieerzeuger trotzdem kostendeckend arbeiten. Anders als mit den nun eingeführten Energiegutscheinen würde man dadurch öffentliches Geld in Kostendeckung statt in Gewinnsubventionierung stecken.
Energie muss für alle leistbar bleiben
Was wir energiepolitisch in den letzten Jahrzehnten versäumt haben, gilt es jetzt umso schneller aufzuholen. Um das Energiesparen werden wir nicht herumkommen. Während wir uns Windrad um Windrad von den geopolitischen und fossilen Abhängigkeiten lösen, sollten wir darauf achten, niemanden auf dem Weg in eine klimagerechte Zukunft zurücklassen. Ein Grundbedarf an Energie muss daher für alle leistbar bleiben – nicht nur für jene, die ihre Energierechnung aus der Portokassa zahlen. Das klappt am besten mit einem Energiepreis-Deckel.
—
Joel Tölgyes ist Klima-Ökonom am Momentum Institut. Er hat Public Economics an der Freien Universität Berlin studiert. Er beschäftigt er sich mit den Verteilungsaspekten der Klimakrise und mit der Frage, wie wir unser Wirtschaftssystem ökologischer und nachhaltiger gestalten können.
Titelbild: ZackZack