ÖVP und SPÖ wollen eine Schwimmreifenregierung bilden. Mit den Neos nehmen sie sich dazu eine Ventilpartei, durch die die Luft schnell draußen ist.
Herbert Kickl hat seine eigene Kanzlerschaft so vergeigt, dass sich jetzt zwei verfeindete Parteien ins gemeinsame Boot setzen. Wenn sie sich dann mit den Rudern in den Händen gegenübersitzen, können sie zeigen, dass ein Boot, in dem in entgegengesetzte Richtungen gerudert wird, nicht von der Stelle kommt.
Das Regierungsprogramm der kleinen Koalition aus ÖVP und SPÖ wird eine Auflistung von Sollbruchstellen. Die SPÖ will die Reichsten besteuern, die ÖVP will sie schützen. Weiter unten bei den Einkommen der Mehrheit schaut es genau umgekehrt aus. Die SPÖ will Preiskontrollen, die ÖVP Preisfreiheit. Die SPÖ will eine neue, gemeinsame Schule, die ÖVP will die alte Klassenschule. Die SPÖ will eine bessere Umwelt, die ÖVP will ein besseres Geschäft mit ihr. Die ÖVP will weiter korrupt bleiben, die SPÖ will erst klären, wie weit sie da diesmal geht.
Bei dieser Regierung geht es um kein gemeinsames Programm, weil sich Tag und Nacht auch in der Politik nicht auf Dauerdämmerung einigen können. Es geht um das einzige Anliegen, das ÖVP und SPÖ eint: nicht unterzugehen. Andreas Babler ist Stockers letzter Schwimmreifen, und Stocker ist dasselbe für Babler.
Pinke Ventile
Babler und Stocker hätten sich im Nationalrat für größere Mehrheiten von Fall zu Fall zwischen Neos und Grünen entscheiden können. Aber das wollte die ÖVP nicht. In dieser entscheidenden Frage hat die SPÖ nachgegeben und damit eine zweite ÖVP in die Regierung gelassen.
Mit den Neos und ihrer wankelwütigen Obfrau haben sich Stocker und Babler die Hauptsollbruchstelle in die Regierung geholt. Beate Meinl-Reisinger und Sepp Schellhorn sind die beiden Ventile in ihren Reifen. Im Internet wird beschrieben, wie einfach man mit den Neos die Luft aus der Regierung lassen kann: „Wenn du seitlich das Ventil zusammendrückst, geht das ein wenig auf und die Luft geht raus. Optional kannst Du auch einen Strohhalm reinstecken.“
Sägegeräusche
Trotzdem wird jetzt einmal gefeiert. Christian Stocker hätte sich niemals erwartet, für die größte politische Lüge des letzten Jahrzehnts mit der Kanzlerschaft belohnt zu werden. Andreas Babler wundert sich, wie weit ihn die anti-Doskozil-Intrige des Wiener Bürgermeisters getragen hat.
Schon bald wird man durch die Feierstimmung die ersten Sägegeräusche hören. Diesmal geht es allen Sesseln an die Beine. Der Stocker-Sessel hält, bis der Nachfolger aus dem Schatten von Bünden und Raiffeisen tritt. Der Babler-Sessel wird irgendwann von Michael Ludwig vor die Tür gesetzt. Und bei den Neos wartet Sepp Schellhorn auf seine Stunde.
Von Anfang an geht es überall um Personal. Unter den Neuen, die in der ÖVP zum Zug kommen, wird sich der Stocker-Nachfolger finden. In der SPÖ drohen Babler mit Peter Hanke und Alexander Wrabetz zwei Sargnägel für sein Amt. Hanke gilt vielen in der SPÖ als ihr erster Grasser, und Wrabetz bringt mit seiner Nähe zum betrugsverdächtigen Investor Michael Tojner und zum Novomatic-Umfeld alles für gediegenes Zwielicht mit.
Durchlauferhitzer für FPÖ
Herbert Kickl hat seine Kanzlerschaft vergeigt und kann trotzdem entspannt zusehen. Scheitert auch die neue Regierung schnell an einigen der Probleme, von denen die FPÖ lebt? Wird die Regierung mehr als ein Durchlauferhitzer für die FPÖ? Und gelingt es der FPÖ, schnell erste Keile zwischen Türkis und Rot zu treiben?
Nächste Woche wird zwischen ÖVP und SPÖ über den Sideletter zur Regierungsvereinbarung verhandelt. Neben den Posten von Verfassungsgerichtshof bis ORF soll darin auch eine Vereinbarung über Untersuchungsausschüsse stehen. Die ÖVP weiß, was ihr hier droht und will zumindest von der SPÖ die Zusage, dass sie nicht mitmacht.
Aber das ist bereits egal. In der FPÖ will man möglichst bald mit den Grünen den ersten Untersuchungsausschuss einsetzen. In seinem Titel könnte bereits beides stehen: „ÖVP“ und „Pilnacek“.