Am Mittwoch stellt die Regierung das neu verschärfte Waffengesetz vor. Ob die größte Lücke geschlossen wird, bleibt abzuwarten. Noch deutet nichts darauf hin.
Die Regierung hat sich nach dem Amoklauf auf einem Grazer Realgymnasium entschlossen, den Zugang zu Schusswaffen in Österreich zu erschweren. Das berichteten am Montagabend mehrere Medien übereinstimmend. Konkret ist noch nicht klar, wie der Zugang zu Gewehren und Pistolen eingeschränkt werden könnte. Mehrere Ideen sind im Umlauf. Doch sind es die richtigen?
Abgeschwächter Kompromiss
„Es gibt keinen – wirklich keinen – Grund, warum man sich mit 18 Jahren ohne strenge Prüfung eine Schrotflinte kaufen können sollte“, ließ Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) via Aussendung verlautbaren. Damit deutete er schon an, wohin die Reise beim Waffenrecht für die SPÖ gehen könnte: Strengere psychologische Prüfungen und eine Anhebung des Mindestalters beim Kauf.
Am Sonntag klang das noch anders. Wie die Kleine Zeitung berichtete, wollte die Regierung in einem Entwurf den privaten Waffengebrauch „auf ein Minimum“ reduzieren. Die Verbannung von Waffen im Privatbesitz ohne erkennbaren Grund dürfte ein Wunsch der SPÖ gewesen sein.
Der Entschließungsantrag im Parlament am Montag liest sich dagegen zahmer. Die Regierungsparteien ÖVP, SPÖ und NEOS wollten „strengere Eignungsvoraussetzungen zum Waffenbesitz“, sowie einen „besseren Datenaustausch zwischen den Behörden“ und die „Anhebung des Alterslimits und Abkühlphasen bei Ersterwerb von Schusswaffen“. Schon am Mittwoch soll das neue Waffengesetz im Ministerrat beschlossen und dann im Parlament vorgestellt werden.
Die kleine Lücke im Waffengesetz
Das Waffengesetz wurde bereits 2021 nach dem Terroranschlag vom Zweiten November in der Wiener Innenstadt geändert. Denn über den Islamistischen Attentäter Kujtim F. wurde kein Waffenverbot verhängt, wie sich später herausstellte. Und das, obwohl er wegen seiner Aktivitäten für die Terrororganisation Islamischer Staat bereits verurteilt worden war. Seither wird über alle wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation Verurteilten und ähnlicher Delikte ein Waffenverbot verhängt.
Grundsätzlich sollen Waffenbesitzkarten, die den Besitz von Pistolen und anderen Waffen der Kategorie B erlauben, nur an verlässliche Personen ausgestellt werden. Der Attentäter von Graz galt für das Gesetz offenbar als verlässliche Person – den erforderlichen Test für eine Waffenbesitzkarte absolvierte er erfolgreich. Trotz psychischer Untauglichkeit bei der Stellungskommission des Bundesheeres. Die Untauglichkeit wurde der Waffenbehörde vom Bundesheer aus Datenschutzgründen nicht weitergegeben. Diese Lücke im Waffengesetz soll nun geschlossen werden.
Die Extremisten-Lücke
Was aus dem Waffengesetz derzeit nicht klar hervorgeht, ist, wie verlässlich Personen sind, gegen die ermittelt wird, oder die von Behörden beobachtet werden. Zwar können Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte den Waffenbehörden – das sind in Österreich die Bezirkshauptmannschaften und Landespolizeidirektionen – „in Verfahren betreffend die Überprüfung der Verlässlichkeit“ Daten übermitteln. Sie müssen das aber nicht tun.
Auf ZackZack-Anfrage bestätigt die Landespolizeidirektion Wien: “bei Anträgen auf Ausstellung waffenrechtlicher Dokumente (z. B. Waffenbesitzkarte oder Waffenpass) erfolgt ein Abgleich mit sicherheitsrelevanten Datenbanken.” Einen verbindlichen regelmäßigen Abgleich mit Gefährderlisten der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) gibt es aber nicht. Die LPD Wien schreibt auf Anfrage: “Ein ständiger automatischer Abgleich mit den genannten Gefährderlisten erfolgt nicht laufend, jedoch bei jedem Antrag sowie anlassbezogen, sofern sicherheitsrelevante Hinweise vorliegen.” Die Bezirkshauptmannschaft in Wiener Neustadt ergänzt: Nicht nur bei jedem Antrag auf ein waffenrechtliches Dokument, sondern auch bei jedem Änderungsantrag einer Waffe wird ein Abgleich mit Gefährderlisten vorgenommen.
Die größere Lücke im Waffengesetz ist somit weitaus gefährlicher: Nur beim Antrag auf ein waffenrechtliches Dokument wird derzeit kontrolliert, ob jemand ein rechtsextremer oder islamistischer Gefährder ist. Danach nicht mehr – zumindest nicht automatisch. Jemand, der der DSN erst nach Jahren als gefährlich auffällt, könnte danach noch jahrelang unbehelligt Waffen besitzen. Denn auch nachdem er auf einer Gefährderliste landet, wird nicht automatisch, sondern “anlassbezogen” kontrolliert, ob ein Waffenverbot auszusprechen wäre. Das ist kein Versäumnis der Polizei. So will es derzeit das Gesetz.
Die kleine Lücke des Datenabgleichs zwischen Stellungskommission und Waffenbehörde will die Bundesregierung jetzt schließen. Ob auch die große Gefährder-Lücke geschlossen wird, bleibt noch offen.
Wie lückenlos sichergestellt wird, dass über Gefährder ein Waffenverbot verhängt wird und wo es nach derzeitiger Gesetzeslage dennoch zu Lücken kommen kann, wollte ZackZack vom Innenministerium wissen.
Update 18.06., 09:29: Das Innenministerium verwies nach nach Ablauf der Anfragefrist auf eine kontinuierliche Überprüfung der Zuverlässigkeit von Waffenbesitzern: “Die Überprüfung der Zuverlässigkeit ist stets eine Momentaufnahme, da sich Lebensumstände und Verhaltensweisen ändern können. Das System ist daher auf kontinuierliche Kontrolle und rasches Eingreifen ausgelegt.” Einen automatischen Abgleich der Waffenbehörden mit den Gefährderlisten erwähnte das BMI nicht.
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