Chaos im Blindensport: Der Vorstand des Behindertensportverbandes ÖBSV suspendierte den Vorsitzenden des Blinden- und Sehbehindertensports, Karl Mayr. Daraufhin trat sein gesamtes Team zurück. In den Streit involviert ist auch ÖVP- und Kurz-Anwalt Werner Suppan.
Im österreichweiten Blindensport liegt kein Stein mehr auf dem anderen. Die jahrzehntelange Arbeit des angesehenen Kompetenzgremiums für Blinden- und Sehbehindertensport, einer Teilorganisation des Behindertensportverbandes ÖBSV, wurde im April vorläufig eingestellt. Die ehrenamtlich engagierten Mitglieder erklärten geschlossen ihren Rücktritt, nachdem der Vorsitzende des Kompetenzgremiums, Karl Mayr, vom Vorstand des ÖBSV suspendiert wurde. Hintergrund ist ein lange köchelnder Streit über angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Kontoführung des Kompetenzgremiums. Mayr bestreitet alle Vorwürfe und sieht seinen Ruf zu Unrecht massiv beschädigt.
Vom Vorstand suspendiert
Seit 28 Jahren war Mayr Feuer und Flamme für den bewegten Sport blinder und sehbehinderter Menschen in Österreich. Das von ihm geleitete Kompetenzgremium organisierte österreichweite Events für blinde und sehbehinderte Sportbegeisterte, bildete Trainingspersonal aus und kümmerte sich um die Verrechnung aller Tätigkeiten. Das führte im Sommer 2024 zum Zerwürfnis zwischen Mayr und dem Präsidenten des ÖBSV, Julian Hadschieff und dessen Generalmanager Matthias Bogner.
Die beiden Präsidiumsmitglieder beantragten im Zuge einer Umstrukturierung eine routinemäßige Rechnungsprüfung des Kompetenzgremiums. In den Monaten darauf verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Mayr, Hadschieff und Bogner. Anfang April 2025 forderte Hadschieff als Präsident Mayr dann wegen der angeblich unkorrekten Verrechnungspraktiken auf, „zur Seite zu treten“. Als dieser ablehnte, wurde er am 4. April vom Vorstand suspendiert. Doch die eigentliche Eskalation sollte erst folgen.
Blindensport-Abteilung tritt zurück
Folge der Suspendierung Mayrs war eine Welle der Solidarität im Kompetenzgremium für Blinden- und Sehbehindertensport (KGB) mit ihrem langjährigen Vorsitzenden. Alle Mitglieder des KGB traten von ihren Funktionen zurück, da sie die Suspendierung Mayrs als „Angriff auf das gesamte Kompetenzgremium“ werteten, wie aus einem E-Mail an die Verbandsspitze hervorgeht.
Man wolle „einem solchen Treiben der Verbandsführung nicht tatenlos zuschauen.“ Damit war der überregionale Breitensport im Blinden- und Sehbehindertenbereich handlungsunfähig.
Mayr selbst vermutet, aus persönlichen Gründen und nicht wegen der behaupteten Unregelmäßigkeiten bei der Kontoführung suspendiert worden zu sein. Im Gespräch mit ZackZack spricht er von Auffassungsunterschieden und „persönlichen Eitelkeiten“ im Präsidium. Hadschieff habe deshalb einen „Weg gesucht, mich loszuwerden“, so Mayr.
Um Zurückhaltung war keine der beiden Streitparteien bemüht: Über E-Mails mit teilweise fast 200 Empfängern zeichnete das Präsidium ein Bild der Misswirtschaft im Kompetenzgremium. Von „Zahlungen ohne Nachweise“, „Einnahmen aus unzulässigen Verkäufen“ und „inkorrekten Spendenbewegungen“ ist die Rede. Eine private Bereicherung Mayrs wurde jedoch nicht festgestellt.
Auf ZackZack-Anfrage unterstrich Generalmanager Bogner „fortgesetztes Fehlverhalten in der Finanzgebarung“. Der Bundesvorstand habe die Vorwürfe „als schwerwiegend eingestuft und daraufhin die vorläufige Suspendierung des verantwortlichen Funktionärs“ beschlossen. In seiner Anfragebeantwortung beklagt sich Bogner zudem über die fehlende Einsicht Mayrs, Fehler in der Kontoführung begangen zu haben.
Mayr sieht sich schwer beschädigt und schaltete seinen Anwalt Thomas Höhne ein. Gegenüber ZackZack bezeichnete Höhne die Anschuldigungen gegen seinen Mandanten als „völlig absurd“. Er betonte, dass auf dem fraglichen Konto „jeder Cent auffindbar ist“.
Auch die Suspendierung Mayrs hinterfragte der Anwalt: Der Vorstand hätte demnach kein Recht gehabt, Mayr zu suspendieren. Denn einerseits sähen die Statuten des ÖBSV eine Suspendierung nicht vor, andererseits könne im Falle Mayrs nur die Generalversammlung den Entzug einer Funktion aussprechen.
Sollte keine Einigung erzielt werden, überlegt Mayr den Gang zu Gericht. Dort will er erreichen, dass Hadschieff und Bogner ihre Vorwürfe öffentlich zurücknehmen. Mayr ist davon überzeugt, zu keiner Zeit schwerwiegende Verstöße gegen Rechnungslegungsvorschriften begangen zu haben und mit dem fraglichen Konto, dessen Auszüge dem ÖBSV jedes Quartal übermittelt wurden, korrekt umgegangen zu sein.
Hick-Hack um Internetseite
Ein Konflikt ist auch um den Webauftritt des Kompetenzgremiums ausgebrochen. Die unter anderem von der Kassierin des KGB, Andrea P., ins Leben gerufene Internetseite „blindensport.at“ wurde vom Netz genommen, nachdem der ÖBSV die Kontrolle über die Seite verlangt hatte. Kassierin P. will die Domain nicht hergeben und betont im Gespräch mit ZackZack, dass die Seite von ihr seit 2016 inhaltlich privat betrieben wurde. Hadschieff versuchte mittels Anwalt, Druck auf P. auszuüben, bisher erfolglos. Das Portal diente als zentrale Informations- und Anmeldestelle für den Breitensport für Blinde und Sehbehinderte.
ÖVP-Schlagseite & Stillstand im Blindensport
Hadschieff ist in der Öffentlichkeit kein Unbekannter. Im Jahr 2021 führte die WKStA gegen ihn Ermittlungen, weil er als Vorsitzender der PremiQaMed, der Holding der Privatspitäler der UNIQA-Versicherung, 2017 und 2018 je 25.000 Euro an die ÖVP gespendet hatte. Die WKStA vermutete darin eine Absprache mit dem zukünftigen Finanzminister Hartwig Löger rund um die Finanzierung von Privatkrankenanstalten und ermittelte wegen Untreue. Die Ermittlungen wurden eingestellt.
Im Streit mit Mayr wurde mittlerweile die verbandsinterne Schlichtungsstelle eingeschaltet. Dort nominierte Hadschieff einen prominenten Anwalt als Vertreter: den langjährigen Parteianwalt von ÖVP und Sebastian Kurz, Werner Suppan. Angesichts der festgefahrenen Positionen ist keine Einigung zu erwarten.
Auf Anfrage behauptet der ÖBSV, eine interimistische Lösung gefunden zu haben: „Die Arbeit des betroffenen Kompetenzgremiums wird von einer interimistisch eingesetzten Führung fortgesetzt; dies umfasst sowohl für Sommer, Herbst und Winter 2025 geplante Aktivitäten im Breitensport.“
Doch wie ZackZack erfuhr, ist die beliebte Multisportwoche in Obertraun Anfang Juli bereits ausgefallen. Auch die große Wintersportwoche im Jänner 2026 für blinde Kinder und Jugendliche dürfte gehörig wackeln. Das Know-How des Kompetenzgremiums ist von heute auf morgen offenbar nicht zu ersetzen. Der überregionale Blindensport steht in Österreich damit bis auf Weiteres still.
Titelbild: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com, Auszug aus einer E-Mail von Karl Mayr