Samstag, August 23, 2025

Ministerium gesteht ein: Zielfernrohre von Swarovski-Tochter gingen an russisches Militär

ZackZack deckte fragwürdige Zielfernrohr-Lieferungen von Swarovski nach Russland auf, das Wirtschaftsministerium schwieg. Nun lässt eine Beantwortung ans Parlament aufhorchen: Schon 2021 bemerkte das Ministerium, dass entsprechende Zielfernrohre beim russischen Militär landeten. Swarovski-Tochter Kahles konnte dennoch bis 48 Stunden vor der Invasion liefern.

Mitte Mai sorgten ZackZack-Recherchen zu nach Russland gelieferten Gewehr-Zielfernrohren aus dem Hause Swarosvki für Aufsehen: Geleakte Zolldaten zeigten, dass noch bis Anfang April 2022 Zielfernrohre der Swarovski-Tochter Kahles nach Russland gelangten – etliche Wochen nach Putins Angriff auf die Ukraine.

Das österreichische Wirtschaftsministerium – zuständig für Exportkontrolle – weigerte sich konsequent, ZackZack jegliche Auskünfte zur Angelegenheit zu geben. Offen blieb somit, wie die Lieferungen mit dem strengen Sanktionsregime gegen Russland im Einklang standen, was das Ministerium genehmigte und wann die letzten Lieferungen Österreich verließen. Der grüne Nationalratsabgeordnete David Stögmüller nahm die Enthüllungen jedenfalls zum Anlass, beim Ressort von Wolfgang Hattmannsdorfer nachzufragen. Die parlamentarische Anfragebeantwortung liegt nun vor – und hat es in sich.

Gewehr-Zielfernrohre nicht “genehmigungspflichtig”

Gleich zu Beginn lässt das Ressort von Hattmannsdorfer in seiner Beantwortung mit einer bemerkenswerten Äußerung aufhorchen: Die über Jahre von Swarovski und Kahles gelieferten Zielfernrohre seien keine “Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck” gewesen – also Produkte, für die man seit 2014 eine Genehmigung für Russland benötigte. Genaue Zahlen zu Ausfuhrmengen seien dem Ministerium daher nicht bekannt.

Zielfernrohre ohne elektronische Bildverarbeitung, die nicht besonders konstruiert oder für militärische Zwecke geändert sind, sind auch nicht von der Verteidigungsgüterliste der Europäischen Union erfasst und unterliegen somit weder einer Genehmigungspflicht (…) noch dem Waffenembargo”, heißt es wörtlich.

Überrascht über diese Einstufung war offenbar auch der österreichische Zoll, der wegen der anhaltenden Zielfernrohr-Exporte immer wieder bei den Firmen nachfragte: “Zur Abklärung von wiederkehrenden Nachfragen durch den Zoll begannen die beiden Unternehmen Anträge auf Feststellungsbescheide über das Nichtbestehen einer Genehmigungspflicht zu stellen“, wird die Chronologie in der Anfragebeantwortung beschrieben. Somit besorgten sich die Firmen beim Wirtschaftsministerium entsprechende Bescheinigungen, um den Hürden beim Zoll aus dem Weg zu gehen.

Nicht geklärt werden kann derzeit, welche Zielfernrohr-Modelle die österreichischen Firmen genau lieferten. Zumindest Kahles bietet grundsätzlich taktische Zielfernrohre an, die sich für eine Verwendung im Kampf eignen. Dass das auch das russische Militär so sieht, wurde dem Ministerium bald bekannt.

Ministerium bemerkte 2021 Verwendung durch russische Streitkräfte

Im Jahr 2021 sei dem (damals von Margarete Schramböck geführten) Wirtschaftsministerium selbst die verdächtig hohe Nachfrage aus Russland aufgefallen: “Im Laufe des Jahres 2021 kam es zu einer signifikanten Steigerung der russischen Bestellmengen, was sich aus dem Vergleich der Mengen in den Anträgen von Kahles aus dem Jahr 2021 gegenüber dem Jahr 2020 ergibt. Dies nahm das BMWET zum Anlass für eine entsprechende vertiefte Recherche.”

Und weiter: “Als Ergebnis konnte festgestellt werden, dass bestimmte Typen von Zielfernrohren amerikanischer ebenso wie diverser europäischer Hersteller bei den russischen Streitkräften im Einsatz waren, darunter auch solche von Kahles, nicht jedoch solche von Swarovski.

Somit war dem Ministerium ab da bewusst, dass die angeblich militärisch unnützen Zielfernrohre offensichtlich doch militärisch nutzbar sind. Würde man nun annehmen, dass die Behörden daraufhin hart eingeschritten sind wird man eines Besseren belehrt: Das Wirtschaftsministerium mahnte die Unternehmen lediglich, ab sofort nur mehr leistungsschwächere Zielfernrohre zu liefern.

“Obwohl die Ergebnisse dieser Recherche nahelegten, dass es sich dabei lediglich um Einzelfälle handelte, wurde im Zuge dessen mit beiden Unternehmen vereinbart, dass nur mehr solche Modelle nach Russland verkauft werden, deren Leistungsparameter geringer waren als jene, die im Zuge dieser Recherche als bei den Streitkräften in Verwendung stehend festgestellt worden waren. Damit sollte das Risiko der Umlenkung zu den russischen Streitkräften ausgeschlossen werden“, heißt es in der Anfragebeantwortung.

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Ein russischer Sniper hantiert im Jahr 2023 mit Kahles-Zielfernrohr an der ukrainischen Front.

Ob mit der Verringerung von “Leistungsparametern” das Risiko einer militärischen Endverwendung verunmöglicht wurde, darf bezweifelt werden. Die Reaktion der Behörde wirft jedenfalls Fragen auf: Wie leistungsschwach musste ein Gewehr-Zielfernrohr sein, damit es nicht mehr militärisch nutzbar ist? Hätten erneute Hinweise auf eine militärische Nutzung durch die russische Armee abermals zur Mahnung des Ministeriums geführt, noch schwächere Zielfernrohre zu schicken?

Die EU-Verordnung 2021/821 sieht auch bei nicht eindeutigen Dual Use-Gütern durchaus Handlungsbedarf vor: “Die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, die nicht in Anhang I aufgeführt sind, ist genehmigungspflichtig, wenn der Ausführer von der zuständigen Behörde davon unterrichtet worden ist, dass die betreffenden Güter ganz oder teilweise (…) für eine militärische Endverwendung” bestimmt sind.

Laut Ministerium hätte diese “Catch-All”-Klausel lediglich zu einer Meldepflicht beziehungsweise der Einholung von Genehmigungen führen müssen. Diese Verordnung galt aber für sämtliche Drittstaaten, im Fall Russlands herrschte seit 2014 eigentlich ein viel schärferer Umgang bei Güter mit doppelten Verwendungszweck. Diese auszuführen sei verboten, “wenn diese Güter ganz oder teilweise für militärische Zwecke oder für einen militärischen Endverwender bestimmt sind oder bestimmt sein können“, hieß es in der speziell für Russland formulierten Verordnung 833/2014 vom 31. Juli 2014.

Kahles lieferte noch bis 48 Stunden vor der russischen Invasion

Mithilfe der durch das Ministerium ausgestellten “Feststellungsbescheide” konnten beide Unternehmen jedenfalls weiter liefern. Kahles bekam einen solchen zuletzt im Oktober 2021 ausgestellt; Swarovski beantragte einen letzten am 3. Februar, habe diesen aber zurückgezogen.

Pauschal verboten – also auch ohne Hinweise auf militärische Nutzung – sei die Lieferung von Zielfernrohren überhaupt erst mit 8. April 2022 gewesen, heißt es. Da sei das neueste Sanktionspaket zur Russland-Invasion vom Rat der Europäischen Union ratifiziert worden. Unternehmen hätten also mit Bescheid noch bis sechs Wochen nach Kriegsbeginn liefern können, wenn sie es drauf anlegten. Zur Frage, wann die letzten Zielfernrohr-Lieferungen des Tiroler Konzerns Österreich Richtung Russland verlassen hätten, gibt es ebenfalls eine Antwort:

“Auf Nachfrage hat die Firma Kahles Unterlagen vorgelegt, wonach die Ausfuhr der in der Anfrage genannten, laut Zolldaten am 5. April 2022 vorgenommenen Lieferung tatsächlich bereits am 22. Februar 2022 stattgefunden hat. Sie hat auch darüber informiert, dass ein Versuch, diese Güter wieder zurückzubekommen, erfolglos geblieben sei, weil der russische Zoll diese in der Folge nicht mehr freigegeben habe.”

ZackZack hatte ja über geleakte Zolldaten erfahren, dass noch bis in den April 2022 eine Zielfernrohr-Lieferung von Kahles die russischen Einfuhrbehörden erreichte. Laut Beantwortung sei diese Sendung offenbar wochenlang unterwegs gewesen, was aufgrund des Kriegsbeginn durchaus plausibel erscheint; eine Rückholung sei fehlgeschlagen. Gleichzeitig steht aber fest, dass Kahles kein Problem darin sah, noch bis 48 Stunden vor der Invasion direkt nach Russland zu liefern.

Der Angriff Putins samt Truppenaufmarsch an der Grenze lag da bereits in der Luft: “NATO warnt vor „großangelegtem Angriff“ Russlands auf Ukraine”, titelte am selben Tag orf.at; Generalsekretär Stoltenberg sprach gleichzeitig vom „gefährlichsten Moment für die europäische Sicherheit seit einer Generation“; die EU-Außenminister beschlossen erste Sanktionen.


Titelbild: ZackZack / APA/HANS KLAUS TECHT / Glanzl / Montage

Autoren

  • Thomas Hoisl

    Ist seit April 2024 bei ZackZack. Arbeitete zuvor u.a. für "profil". Widmet sich oft Sicherheitsthemen oder Korruptionsfällen.

  • Daniel Pilz

    Redakteur bei ZackZack. Studierte Philosophie an der Uni Wien und schreckt auch vor komplexen Themen nicht zurück.

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