Am Montag ging eine Meldung durch die österreichische Presse: „Blockade durch Opposition, kein Freitesten – Lockdown wird um eine Woche verlängert“. Allerdings war der Lockdown immer bis 24. Jänner geplant. Der Regierungsspin sorgte am Sonntag bereits für Wirbel.
Wien, 04. Jänner 2021 | Am Sonntag sprachen sich SPÖ, FPÖ und NEOS gegen die von Bundeskanzler Sebastian Kurz propagierten „Freitestungen“ zum Ende des Lockdowns aus. Im Bundesrat, in dem die drei Parteien eine knappe Mehrheit haben, wollen diese das geplante Gesetz ablehnen. Am Montagmorgen dann die APA-Meldung: “Der Lockdown in Österreich wird de facto um eine Woche verlängert. Denn die Möglichkeit des Freitestens entfällt angesichts der am Sonntag angekündigten Blockade der Opposition.”
Am Sonntag lief die Message Control der Regierung bereits voll an. ÖVP-Sprecherin Kristina Rausch twitterte nach der Absage durch die Opposition:
„Die #Oppositionsparteien verhindern also offenbar, dass Menschen sich #freitesten können. Frage: Für wen eigentlich machen sie das?“
ÖVP-Sprecherin bringt alte Umfrage – mit anderer Fragestellung
Dazu postete Rausch ein Bild einer Umfrage, die eine Mehrheit für ein Freitesten abbildete. Auf eine entscheidende Sache vergaß die Kanzlersprecherin allerdings. Im geposteten Bild war der Teil mit den Informationen, wann die Umfrage getätigt wurde und was überhaupt abgefragt wurde, abgeschnitten.
Die #Oppositionsparteien verhindern also offenbar, dass Menschen sich #freitesten können. Frage: für wen eigentlich machen sie das? pic.twitter.com/Lo7hGCR892
— Kristina Rausch (@rauschKristina) January 3, 2021
Der nichtersichtliche Teil der Umfrage ist allerdings wesentlich. Denn der Befragungszeitraum ging von 9. bis 12. Dezember 2020, endete also bereits sechs Tage, bevor die Regierung erstmals öffentlich über die Möglichkeit der Freitestung sprach. Zudem wurde nicht abgefragt, ob man sich durch einen Test Privilegien wie Lokalbesuche „ertesten“ kann, sondern, ob Unternehmen, die Möglichkeit der Freitestung aus der Quarantäne unterstützen. Die “Kronen Zeitung” hatte die Umfrage am Sonntag veröffentlicht.
Hier ist die komplette Grafik, Sie haben sie seltsamerweise abgeschnitten. Befragungszeitraum 09.12.-12.12. Was wurde damals abgefragt? pic.twitter.com/7IGS7urIUL
— MariKan (@MariKanWien) January 3, 2021
Eine Blitzumfrage des Handelsverbandes nach der Ankündigung der Freitestungen am 18. Dezember zeigte ein ganz anderes Bild als das der ÖVP-Sprecherin. 58 Prozent sprachen sich hier gegen die Freitestungen aus.
Medien unterstützen Regierungsspin
Die Medien unterstützten am Montag den Regierungsspin, dass durch die „Blockade der Opposition“ der Lockdown verlängert werde. Fast wortgleich wurde in den Onlineversionen der größten Tageszeitungen Österreichs veröffentlicht: „Blockade durch Opposition, kein Freitesten – Lockdown wird um eine Woche bis 24.Jänner verlängert“.
https://twitter.com/knapp/status/1345997131845423112
Ein wichtiges Detail dazu: Der Lockdown war immer bis zum 24. Jänner geplant. Die Opposition verlängert den Lockdown somit nicht. Die Regierung verlängert diesen immer jeweils um 10 Tage im Hauptausschuss durch die türkis-grüne Mehrheit im Parlament. Somit wird am 14. der Lockdown erneut verlängert, die Opposition kann dies nicht verhindern. ÖVP-Klubobmann verbreitete trotzdem am Montag die Nachricht: “Die Opposition hat sich geschlossen einbetoniert”.
Der Tiroler Tagezeitung fiel der Fehler auf. Sie besserte diesen aus.
Screenshot: Facebook/TT
Einen Spin, den die Grünen bereits am Sonntag zu verbreiten versuchten. Wortgleich twitterten zwei grüne Landtagsabgeordnete Richtung Opposition: „Warum ist die Opposition eigentlich gegen Freitesten, um den Lockdown verkürzen zu können?“
Gab's nur einen Tweet für alle, @Gruene_Austria? https://t.co/B1tFrAa2Ny pic.twitter.com/AsPR3a1FqX
— Thomas Walach (@ThomasWalach) January 3, 2021
Opposition sieht Ablenkungsmanöver
Von der Opposition setzte es harsche Kritik an der Regierung, die versuche, den Lockdown der Opposition in die Schuhe zu schieben. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch äußerte sich via Aussendung: „Der Versuch von ÖVP-Kanzler Kurz, den türkis-grünen Gesetzespfusch samt dem Test-Debakel der Opposition in die Schuhe zu schieben, ist ein neuer Tiefpunkt der Corona-Chaospolitik von Kurz & Co.“
Die NEOS sehen in der türkis-grünen Schuldzuweisung ein Ablenkungsmanöver: „ÖVP und Grüne haben all unsere Vorschläge immer ignoriert und die Empfehlungen und Warnungen der Expertinnen und Experten aus dem Wind geschlagen. Und jetzt versucht die Regierung, die Opposition als Sündenbock für ihr eigenes Versagen hinzustellen und davon abzulenken, dass der wenige Impfstoff, der in Österreich vorhanden ist, seit Tagen ungenutzt liegen gelassen und nicht verimpft wird!“
(bf)
Titelbild: APA Picturedesk