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Vor und hinter Gittern – Pilz am Sonntag

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Vor und hinter Gittern – Pilz am Sonntag

Pilz am Sonntag

Der Kampf Volkspartei gegen Rechtsstaat geht in eine entscheidende Runde, kommentiert Peter Pilz die Pläne zur Änderung der Strafprozessordnung.

Peter Pilz

Wien, 28. März 2021 | Wenn eine Krise außer Kontrolle gerät, erkennt man das oft daran, dass sie in mehrere Krisen zerfällt. Das geschieht gerade jetzt.

Am Beginn der dritten Welle zeichnet sich ab, dass die COVID-Krise nicht mehr unter Kontrolle ist. Als Seismografen der Pandemie schlagen die Intensivstationen seit Wochen Alarm. Aber die Regierung ist nur beschränkt handlungsfähig, weil der Beginn der dritten Welle auch der Beginn einer offenen Regierungskrise ist. Mit dem Brüsseler Impfdebakel und der darauffolgenden Wende in der öffentlichen Meinung hat Sebastian Kurz die Kontrolle über das Geschehen verloren. Für die ÖVP geht es nicht mehr um die Rettung Österreichs. Für sie heißt es „Rette sich wer kann“.

Einen Rettungsversuch unternimmt gerade der Innenminister. Die APA meldet: „Die Beschlagnahmung von Unterlagen und Datenträgern der Behörden durch die Justiz soll künftig nur noch in Ausnahmefällen möglich sein. Das sieht eine Änderung der Strafprozessordnung vor, die das Innenministerium gemeinsam mit der BVT-Reform in Begutachtung geschickt hat.“ Änderungen der Strafprozessordnung sind ausschließlich Angelegenheiten der Justizministerin. Nur sie darf hier Entwürfe in Begutachtung und damit auf den Weg zum Gesetzgeber schicken. Es gibt zwei Möglichkeiten: Die Ministerin hat sich von Nehammer die Zuständigkeit für Strafprozesse abnehmen lassen – oder Nehammer agiert hier eigenmächtig.

Rechtsparteien gegen Rechtsstaat

Die politische Absicht ist klar. Die ÖVP will rund um ihre Minister und Spitzenbeamte eine Schutzmauer gegen die WKStA aufbauen. Wenn weiter Beweise in Ministerien und Ämtern sichergestellt werden dürfen, wächst die Chance, dass es in Zukunft zwei Volksparteien gibt: eine vor und eine hinter Gittern. Welcher dieser Parteien dann wer angehört, wird durch rechtsstaatliche Verfahren entschieden. Ihnen sollen nach dem Willen der ÖVP bestimmte Beweise nur noch in „Ausnahmefällen“ zugänglich sein.

Es ist ein Wettlauf zwischen Rechtsstaat und Rechtsparteien. Wenn der Rechtsstaat stärker ist, haben Kurz, Nehammer und Sobotka verloren. Wenn nicht, wird es eng: für Rechtsstaat, Pressefreiheit und Parlament. Für uns alle.

Titelbild: APA Picturedesk

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