Jagdpächter können ohne Attest & Quarantäne einreisen
Ausländische Jagdpächter sind von den scharfen Einreisebestimmungen ausgenommen: Bei einer Einreise nach Österreich benötigen sie im Gegensatz zum “Durchschnittsausländer” kein ärztliches Attest und müssen sich nicht in Quarantäne begeben. Die Maßnahmen der Regierung – und deren Ausnahmen – geraten erneut unter Beschuss.
Aktualisiert am 06. Mai 2020 um 15:55 Uhr
Wien, 06. Mai 2020 | Bis mindestens Ende Mai gelten für Österreich strenge Einreisebeschränkungen: Personen, die aus dem Ausland einreisen möchten, „haben ein ärztliches Zeugnis über ihren Gesundheitszustand mit sich zu führen, das einen negativen molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 bestätigt. Das Zeugnis darf bei der Einreise nicht älter als vier Tage sein.“ – so steht es in der Verordnung des Innenministeriums. Personen, die ein solches Zeugnis nicht vorlegen können, wird die Einreise verwehrt.
Systemrelevante Ausnahmen
Einreisen darf auch, wer sich sogleich in 14-tätige Quarantäne begibt. Für diese Regelung gibt es einige systemrelevante Ausnahmen, darunter Pendler-Berufsverkehr oder die Durchreise durch Österreich sowie Saisonarbeitskräfte in der Land- und Forstwirtschaft oder Pflege- und Gesundheitspersonal, sofern diese Personen ohne Zwischenstopp nach Österreich reisen.
Darunter fallen offenbar auch Jagdpächter: sie könnten sich frei über die Grenze bewegen, berichtet der ORF Tirol, solange sie ihren Jagdpachtvertrag beziehungsweise einen Wildabschussvertrag vorweisen können. Der ORF Tirol zitiert aus einer E-Mail des Innenministeriums, versandt vom Staatlichen Krisen- und Katastrophenmanagement, Koordinationsstab Covid-19: “Die in gültigen Jagdpachtvertrag genannten Personen dürfen im Rahmen des sogenannten ‚gewerblichen Verkehrs‘ unter Vorlage einer Kopie des Jagdpachtvertrages, einer gültigen Jagdkarte und eines gültigen Reisedokuments am Grenzübergang einreisen.“ Und weiter: „Nach Rechtsauskunft des Gesundheitsministeriums kann die vom Bundesland Vorarlberg gewählte Vorgehensweise in Bezug auf ausländische Jagdpächter bundesweit zur Anwendung kommen.“
Innenministerium bestätigt Verordnung
Nachdem Mittwochvormittag noch intensiv darüber beraten wurde, bestätigte ein Sprecher des Innenministeriums die Verordnung des Gesundheitsministeriums gegenüber ZackZack: Der Pächter habe die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass auf dem Pachtgebiet alles in Ordnung ist, daher würden Jagdpächter unter “gewerblichen Verkehr” fallen, der von den Maßnahmen ausgenommen sei.
#Tirol hat im wahrsten Sinne des Wortes einen Schuss!
Pünktlich zum Start der Jagdsaison kann die Liga ausländischer Trophäensammler OHNE Attest ein/ausreisen, während der Normalverbraucher an allen Grenzen ‚geknebelt‘ wird.@rudi_anschober how come???https://t.co/kYI8RAcsuK— Petra Saf (@SafWuffclickpic) May 5, 2020
Auf Twitter ist die Empörung groß.
Twitter-Shitstorm
Auf Twitter sorgt die Ausnahmeregelung für Empörung. Andreas Kollross, SPÖ-Nationalratsabgeordneter, tweetet in scharfen Worten.
Jäger aus dem Ausland müsste man sein. Da darfst in Österreich überall hin. Hauptsache der Rest von uns wird mit Ausgangsbeschränkungen, die gar keine waren, verarscht.
— Andreas Kollross (@AndreasKollros) May 5, 2020
Die bekanntlich starke Lobby der Jägerschaft und ihre Nähe zur ÖVP fällt auch in die Kritik hinein.
Immer wieder interessant zu sehen, wer in diesem Land eine wirklich starke Lobby hat. Und wer nicht. https://t.co/Zi2VM8v5nf
— Bernhard Odehnal (@BernhardOdehnal) May 5, 2020
Kritisiert werden vor allem die empfundene Ungerechtigkeit und die Intransparenz der Maßnahmen.
Corona-Kuriositäten:
Jäger dürfen einreisen, Studierende nicht.
Im Gasthaus mit 3 Kolleg*innen essen geht ohne Maske.
Im Standesamt die Partnerin heiraten nur mit Maske.
Zu Begräbnissen dürfen 30 Leute. Zu Hochzeiten nur 10.
Weitere Vorschläge?— Michael Mingler (@michaelmingler) May 5, 2020
Was in Österreich wirklich wichtig ist
Das Wegfallen der Einreisebestimmungen für ausländische Jagdpächter zeigt auf, wer und was auf der Prioritätenliste der Regierung steht: Seit Wochen ist eine Lösung hinsichtlich der Einreise von 24-Stunden-Betreuerinnen ausgeblieben.
Jene, die bisher im Ausland festsitzen, erhalten nach wie vor keinen Zugang zum Härtefallfonds – die angekündigte Lösung lässt viele immer noch durch die Finger blicken.
24Std-Betreuer*innen können endlich zurück nach Ö fahren und wieder arbeiten! Aber warte. Dafür müssen sie noch zahlen:
– 100 € Zugkarte
– 105 € Covid19-Test
– 74 € Hotelzimmer bis Testergebnis fertig ist.
Das nach 2 Monaten ohne Einkommen und ohne Zugang zum Härtefallfonds.— Flavia Matei (@Flavvvmatei) May 5, 2020
Doch wenn die Jagdsaison vor der Türe steht, dann geht es scheinbar recht zügig.
„Systemrelevante Jagd“ von Regierung unterstrichen
Am 15. Mai beginnt offiziell die Jagdsaison in Österreich – damit hätten auch die Erleichterungen zu tun, heißt es aus dem tiroler Landesjägerverband gegenüber dem ORF Tirol. Heimische wie ausländische Jäger scharren in den Startlöchern: In einer Aussendung verlautbarte Burgenlands Landesjägermeister Roman Leitner,
das Gesundheitsministerium und das Innenministerium würden die „Systemrelevanz der Jagd mit ihrer schnellen Reaktion zur Regelung der Grenzübergänge für Jagdpächter und Abschussvertragsnehmer aus Nachbarstaaten unterstreichen“.
Kritik von SPÖ
SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim kritisiert die Ausnahmeregelung scharf. Sie fragt sich, ob Jäger systemrelevant seien und spielt auf deren enge Verbindungen zur ÖVP an:
„Das Signal, das damit ausgesendet wird lautet: wer Geld und Macht hat, kann es sich richten. Offensichtlich gibt es auch in der Corona-Krise gleiche und gleichere Menschen. Die Jagdpächter dürfen ohne ärztliches Attest und ohne Quarantäne-Auflagen einreisen, während andere seit Monaten ihre PartnerInnen nicht treffen dürfen. Das ist für mich nicht hinnehmbar. Abschussplan und Jagdsaison hin oder her“,
so Yildirim in einer Aussendung.
500 verpachtete Reviere
Insgesamt gibt es in Österreich rund 12.200 Jagdreviere, wovon rund 500 Reviere an Jagdpächter verpachtet sind, die ihren Wohnsitz nicht in Österreich haben. Das erfuhr ZackZack vom Jagd-Dachverband Österreich. Dabei gibt es einen klaren Schwerpunkt: „Im Westen Österreichs liegt in Tirol mit 300 von 1.300 Revieren und Vorarlberg mit 134 von 499 Revieren der Schwerpunkt.“
Aus diesem Eck kommt auch der Vorstoß: Vorarlberg stellte eine Anfrage an den Bund, die entsprechende Jagdpächterregelung wurde daraufhin vom Gesundheitsministerium an alle Landesregierungen ausgeschickt.
(lb)
Titelbild: APA Picturedesk