Start Report Demos in Frankreich werden zu Rave-Partys – “Es leben die Musikaufleger”

Demos in Frankreich werden zu Rave-Partys – “Es leben die Musikaufleger”

Demos in Frankreich werden zu Rave-Partys – “Es leben die Musikaufleger”

“Es leben die Musikaufleger”

Jetzt geht auch die Partyszene Frankreichs auf die Straßen. Den Veranstaltern der Silvesterparty in der Bretagne drohen bis zu 10 Jahren Haft, was zu einer Solidaritätsdemo auf den Straßen führte. Am Wochenende wurden die zahlreichen Demos von feiernden Rave-Partys unterstützt.

 

Toulouse/Wien, 20. Jänner 2021 | Nach dem Jahreswechsel wurde in ganz Frankreich erneut zum Protest gegen die bereits im letzten Jahr scharf kritisierten Reformen des Sicherheitsgesetzes aufgerufen. Die ohnehin schon breite Mobilisierung durfte zuletzt eine neue Fraktion im Kampf gegen die Regierung willkommen heißen: die feierfreudigen Massen aus der elektronischer Musikszene. In ganz Frankreich wurden die Demos am Samstag zu Rave-Partys.

Silvesterparty als Auslöser

Auslöser war die Silvester-Rave-Party nahe der bretonischen Stadt Lieuron mit ihren über 2.500 Teilnehmern. Den festgenommenen Veranstaltern droht nun bis zu zehn Jahre Haft. Weil sie, wie es eine Veranstalterin formuliert hatte, „die Leute zum Tanzen brachte,“ und das unter selbstorganisierten Covid-19-Sicherheitsmaßnahmen: Massentest und Handseife zur freien Verfügung der Feierenden. Der Staat sieht darin aber die Erfüllung des Tatbestands der Gemeingefährdung während eines Ausnahmezustands erfüllt.

Das Vorgehen des Staates gegen die Feiernden facht die Proteste in Frankreich nun erneut an. Zahlenmäßig ist die Bevölkerungsschicht, die seit nunmehr 10 Monaten ihre Lebensweise aufzugeben gezwungen war, nicht zu unterschätzen. Das führte nun am Samstag in den meisten großen Städten Frankreichs zu großen Umzügen von Lastwägen, die mit Lautsprecherwänden bestückt die Demonstrationen mit einer solidarischen Raveparty unterstützten. Die Straßen Frankreichs glichen am Samstag vorpandemischen Street-Parade-Zeiten.

Der rechtskonservative Bürgermeister von Toulouse, Jean-Luc Moudenc, zeigt sich verärgert: Die Unordnung in der Stadt müsse aufhören.

Zuerst Tanzen, dann Tränengas

Zigtausende, eher junge Menschen fanden sich kostümiert und gut gelaunt in den Straßen ein, um für einige Stunden den zur Last gewordenen Alltag zu vergessen und ausgelassen zu feiern. Es gelte der „Begeisterung zu leben“, einen Ausdruck zu verleihen. Dabei handle es sich durchaus um eine „politische Geste“, so die Veranstalter des Neujahres-Raves in einem offenen Brief, „nach bald einem Jahr der Angst und der Entbehrungen.“

Samstag in Toulouse…

Vor allem die südfranzösische Stadt Toulouse wurde am Samstag zum Party-Hotspot: „Es leben die Musikaufleger, nieder die Lektionengeber!“, oder auch „Eure Sicherheit tötet unsere Freiheiten!“ stand auf den fahrenden Boxenwänden, sich immer wieder abwechselnd mit kritischen Parolen zum Überwachungsstaat.

Die Party-Demo endete nach etwas mehr als drei Stunden, wie Demonstrationen seit Beginn der Gelbwestenproteste 2018 fast immer enden: Tränengas, Gummigeschosse, Festnahmen, und zwar mehr als 60 in ganz Frankreich, 18 davon in Toulouse. Für nächstes Wochenende wird schon wieder zu Protesten aufgerufen.

Georg Gassner aus Toulouse

Titelbild: Justin Carrette

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