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Pilz am Sonntag – ein Plan B gegen Covid

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Pilz am Sonntag – ein Plan B gegen Covid

Pilz am Sonntag

Peter Pilz

Vor kurzem bin ich 67 geworden und habe ungefähr zu dieser Zeit erfahren, dass es für mich und viele in meinem Alter den versprochenen Impfstoff in absehbarer Zeit nicht geben wird. Für einige von uns wird das Folgen haben.

 

Wien, 24. Jänner 2021 | Das Gesundheitsministerium hat am Freitag die Impfstoff-Lieferpläne fertig gestellt. Gesundheitsminister Anschober rechnet öffentlich immer noch mit Astra Zeneca. Aber sein Lieferplan zeigt, dass AZ auf Null gestellt ist.

Gesundheitsministerium: Impfstoff-Lieferplan an die Bundesländer, Stand: 22.1.2021

Wir haben auf ZackZack von Anfang an berichtet, dass Anschober und seine rechte Impfhand Auer für den EU-Holzweg „Astra Zeneca“ ein besonderes Maß an Verantwortung tragen. Aber wir haben jetzt keine Zeit für die politische Abrechnung, weil es um Wichtigeres geht: um einen Neustart im Kampf gegen COVID. Anschober und Auer basteln noch immer an einem Impfplan, in dem jetzt statt drei Phasen ganze sieben stehen. Aber das ändert nichts daran: Der Plan A ist Makulatur. Wir brauchen den Plan B.

Impfstoff, schnell

Das Virus passt sich an und scheint dabei gefährlicher zu werden. Wir brauchen wirksamen Schutz, medizinisch, organisatorisch und politisch. Am wichtigsten ist jetzt eine schnelle Entscheidung über den Impfstoff. Dazu gehört:

  • Schluss mit dem Auer-Holzweg. Mit „Astra Zeneca“ darf nicht alles auf einen Impfstoff, der noch nicht zugelassen und schon nicht lieferbar ist, der an über 55-Jährigen nicht getestet und damit für die Hauptgruppe der Phase 2 unbrauchbar ist, gesetzt werden.
  • Schnelle Mehrbeschaffung von BioNTech/Pfizer und Moderna und ausreichende nationale Vorbestellung der vielversprechenden Impfstoffe, die – wie der Impfstoff von Johnson & Johnson – kurz vor der Zulassung durch die EMA noch im Februar stehen.
  • Schnelle Prüfung und Entscheidung, ob Sputnik eine seriöse Alternative ist. Die EMA ist bereits in Kontakt mit dem Sputnik-Hersteller. Auch für Österreich zählt nur, ob ein guter Impfstoff schnell schützen kann – und nicht, ob er aus den USA oder aus Russland kommt.
  • Beschleunigter Aufbau von Impfzentren und Impfstraßen, damit aus den Fläschchen ein Maximum von sieben Dosen gezogen und verimpft werden kann.
  • Wie in Dänemark Verlängerung der Zeit bis zur zweiten Impfung auf sechs Wochen.

Hat Österreich bereits ausreichend Impfstoff von Johnson & Johnson vorbestellt? Gibt es bereits Verhandlungen mit Sputnik? Das sind zwei der Fragen, die schon längst beantwortet sein müssten.

Impfstraßen bauen und digitalisieren

„Seine Behörde hatte seit Monaten Impfzentren eingerichtet, die Verteilung organisiert und einen Impfkalender erstellt, der bis in den Sommer reicht, ständig aktualisiert wird und in dem die Bevölkerung in zwölf Kategorien nach Dringlichkeit eingeteilt wird.“ Das ist ein TAZ-Bericht aus Dänemark. „Allerdings hat Dänemark eine Trumpfkarte für den reibungslosen Ablauf der Impfungen parat: Die nicht nur im Gesundheitswesen eingespielte digitale Infrastruktur des Landes. In allen skandinavischen Staaten gibt es das System persönlicher Personenkennziffern für jeden Kontakt mit Behörden und Gesundheitseinrichtungen.“ Das ist in Österreich bisher gescheitert, aber nicht am Gesundheitsminister, sondern am bornierten Widerstand aus der Provinz der Länder und Interessensvertretungen.

Für die maximale Nutzung der Impf-Vials, der Fläschchen mit dem Impfstoff, brauchen wir Impf-Profis: in Impfstraßen und Impfzentren. Und wir brauchen die schnelle Digitalisierung des Impfsystems. Mitten in der COVID-Krise brachen im Sommer 2020 die veralteten AGES-Rechner zusammen. Der Weg zum digitalen Impfpass dauert in Österreich zwanzig Jahre. Niemand in der Regierung hat verstanden, was die drei Pfeiler eines erfolgreichen Systems sind: Impfstoff, Impforganisation und Digitalisierung. Spätestens jetzt muss in Rechner und Daten investiert werden.

Pamela Rendi-Wagner weiß das und setzt auf das dänische Modell: Über zentral gespeicherte Patientendaten werden alle, die geimpft werden sollen, erreicht. Das dänische System ist digital – und hat Impfstoff. Dänemark war der erste EU-Staat, der den Astra-Holzweg verlassen und selbst bei Pfizer bestellt hat. Dazu kommt der Stoff von Moderna, mit dem in entlegeneren Regionen geimpft wird. Die zweite Impfung kommt erst nach sechs Wochen. Damit bleibt mehr für Erstimpfungen.

Dänisch impfen heißt:

  • Schnell digitalisieren.
  • Möglichst viel Impfstoff national beschaffen.
  • Impfintervalle verlängern.
  • Rechtzeitig Daten zentral sammeln und digital gezielt informieren.

In Dänemark werden so bald vier Prozent der Bevölkerung geimpft sein. Vor dem Sommer will Dänemark die Mehrheit seiner Bevölkerung geimpft haben.

Neue Verantwortung mit neuen Ministern

Jetzt steht fest: Vom mutierten Virus bis zur schwer getroffenen Wirtschaft kommt die große Krise wohl erst. Gesundheitsminister Anschober und Digitalisierungs- und Tourismusministerin Köstinger werden ihr wahrscheinlich nicht gewachsen sein. Also sollten sie durch kompetente und entscheidungsfähige Minister ersetzt werden. Das ist eine politische Chance für SPÖ und Neos.

Weil es Kanzler Kurz allein mit den Grünen nicht mehr schafft, hat er die Bundesländer an Bord geholt. Aber er wird auch im Bund für die große Krise eine breite Basis brauchen. Das heißt nicht „Allparteienregierung“, weil gerade bei weitgehenden Maßnahmen die parlamentarische Kontrolle besonders wichtig ist. Aber das ist ein Grund, zwei besonders qualifizierte Abgeordnete in die Regierung zu holen: Pamela Rendi-Wagner als Gesundheitsministerin und den Neos-Abgeordneten und Tourismusexperten Sepp Schellhorn als Tourismusminister.

Beide müssten ihr Nationalratsmandat ruhend stellen und dann zeigen, wie schnelle und gute Entscheidungen wirken.

Anschober könnte als Sozialminister endlich mit der Pflegereform beginnen. Und Köstinger könnte sich einen Job, für den sie geeignet ist, suchen.

Impfstoff beschaffen, das Impfen organisieren, digitalisieren und die Besten ins Kabinett holen – natürlich geht das. Wenn es in den nächsten Wochen noch schlimmer wird, geht das sogar bei uns in Österreich.

Titelbild: APA Picturedesk

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