Ibiza-Ausschuss
Kurz-Elite und kleiner Parteisoldat: Bernhard Bonelli, erzkonservativer Kanzler-Intimus, und Arno „Schredderman“ Melicharek waren im Ibiza-U-Ausschuss geladen. Man erlebte zunächst einen Bonelli mit schlechtem Gedächtnis und danach einen überraschend angriffigen „Schredderman“, der sich nie gefragt haben will, was er denn da nun wirklich schredderte.
Wien, 28. Jänner 2021 | Er gehört zum engsten Kreis von Sebastian Kurz und gilt als konservativer Hardliner mit Opus-Dei-Connection: Bernhard Bonelli. Während der türkis-blauen Ibiza-Regierung war er stellvertretender Kabinettschef. Nun musste er im Ibiza-Ausschuss rund um die mutmaßliche Käuflichkeit der Volkspartei Auskunft geben.
Massive Erinnerungslücken
Der Zuflüsterer von Sebastian Kurz gilt als machtorientierter Karrierist. Hobbys habe er keine, es gebe nur Beruf und Familie, sein Trauzeuge ist Österreichs Kanzler. Bonellis Auftreten im Ibiza-Ausschuss passte ins Bild: Bonelli gab sich als überkorrekter und leicht verkrampfter Spitzenbeamter. „Keine Wahrnehmungen“ oder „ich kann mich nicht erinnern.“ waren die Lieblingsantworten des jungen Kanzler-Kabinettschefs.
Fast bei jeder Frage brauchte Bonelli Beratung durch seine Begleitperson, nur um sich dann doch wieder nicht erinnern zu können. Etwa bei Fragen zum „Projekt Ballhausplatz“ der Kurz-Gruppe: Er sei zwar involviert gewesen, allerdings nicht in Spenderlisten. Jan Krainer (SPÖ) machte ihn dann darauf aufmerksam, dass auch familiäre Verwandte der Bonellis auf der türkisen Gönnerliste zu finden sind. Doch Bonelli „weiß nicht“, wie seine Verwandten auf diese Liste kämen.
Bonelli weiß von nichts
Bonellis Vertrauensperson kam ebenfalls aus dem Kanzleramt: Lucas Weigerstorfer, laut Twitter-Eigendefinition „Sicherheitsberater“ von Kurz. „Interne Message-Control“, nannte das NEOS-Brandstätter auf Twitter. Denn Weigerstorfer begleitete auch schon Sebastian Kurz in den U-Ausschuss.
Aber trotz der ausführlichen Beratung konnte sich Bonelli letztlich kaum an etwas erinnern, oder er wusste nichts dazu. Zu Siegi Wolf als ÖBAG-Chef, zu ÖVP-Intrigen um das Ibiza-Video, zu Drogenkonsum oder zur Verwaltung der Akten im Kanzleramt und damit auch zum Schreddern. Und wenn es wirklich eng wurde, intervenierte Sobotka. Nur eines ließ erstaunen: Welche Akten man aus dem Kanzleramt an das Staatsarchiv übergeben hätte, habe man selbst entschieden. Viele habe man gelöscht und der Terminkalender des Kanzlerbüros sei “persönlich”.
Die Befragung endete nach der zweiten (von eigentlich vier) Runden. Auch die intensiven Gespräche mit seinem Kollegen aus dem Kanzleramt verzögerten Bonellis Aussage. Fragen hätte es noch einige gegeben, Antworten wären aber wohl dennoch spärlich gewesen: 69-mal konnte sich Bernhard Bonelli nicht erinnern. Hätten ihn nicht die maximale Befragungszeit von vier Stunden gerettet, wären wohl noch einige Erinnerungslücken hinzugekommen.
Der Auftritt des Schredderman
Auf Bonelli folgte der ÖVP-Schredderman. Arno Melicharek, Kanzler-Fotograf und mittlerweile befördert, musste sich zu seinem Ausflug in die Firma Reißwolf erklären. Fünf Festplatten und nach dem Wissen von Melicharek, „aus Multifunktionsgeräten“ aus Druckern. Er erklärte die Aktion unter falschem Namen wie bekannt: Man habe sich auf die Abwahl vorbereitet, jedoch wollte man „nicht den Eindruck ermitteln, dass man sich auf eine Abwahl vorbereitet“, so der Schredderman. Das eine Staatsaffäre aus seiner Schredderei wurde: „Da kann man nichts machen“, sagte Melicharek locker.
Der Schredderman zeigt sich während der Befragung äußerst selbstbewusst und gegenüber den fragenden Abgeordneten durchaus angriffig. Das überraschte doch etwas, beschreibt man ihn doch gerne als kleinen ÖVP-Parteisoldat beschrieben, der eben das Pech gehabt hätte, den schmutzigen Akt des Schredderns übernehmen zu müssen. Der Auftrag kam jedenfalls vom Blümel-Kabinettschef Bernd Pichlmayer, das war bereits bekannt, auch wurde der WKStA das Schredder-Verfahren entzogen, ehe man Pichlmayer einvernehmen konnte (ZackZack deckte auf).
Blümels Laptop
Dann kam der Columbo-Auftritt von Jan Krainer (SPÖ): Er zeichnete strukturell nach, dass es sich bei der zwei der zerstörten Speicher um Laptop-Festplatten handelte. Eine davon ist standardmäßig in jenen Laptoptyp verbaut, den Gernot Blümel als Kanzleramtsminister nutzte.
Andere Fraktionen fragten nach den Ermittlungen rund um das Schreddergate. Da taten sich wieder Erinnerungslücken auf. Am Ende der Frage wusste er schon gar nicht, ob Pichlmayer wirklich den Auftrag gab. ÖVP-Gerstl beendete die Befragung: „Kein neuer Sachverhalt“ habe sich durch die Befragung von Melicharek ergeben. Die Rekonstruktion von Blümels Laptop-Festplatte durch Jan Krainer sei eine „Unterstellung“.
SPÖ-Krainer bat Sobotka hingegen per Entschließungsantrag eine Untersuchung im Bundeskanzleramt einzuleiten, woher die „schwere Amnesie“ komme, die im ersten Stock des Kanzleramts auftrete. Vielleicht ist gebe es “Wasseradern”. Er mache sich mittlerweile jedenfalls “erhebliche Sorgen”.
(ot)
Titelbild: APA Picturedesk