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COVID-Aufstand der Länder: Alle gegen Kurz

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COVID-Aufstand der Länder: Alle gegen Kurz

COVID-Krisensitzung von Kurz, Anschober, Kogler und Expertinnen am 25. Jänner. Am frühen Abend werden die Landeshauptleute zugeschaltet, die Stimmung kippt. Testchaos, Impfchaos, Planungschaos: den Ländern reicht‘s. Protokoll Teil II eines schwarz-roten Aufstands und eines hilflosen Kanzlers.

 

Wien, 28. Jänner 2021 | Nach der gestrigen Veröffentlichung des ersten Teils des Protokolls aus der COVID-Krisensitzung tobte der Bundeskanzler. Sein Vorhaben, die Kanzler-Kapitulation vor den Ländern als neuen Kurz-Plan zu verkaufen, ist durch die gemeinsame Recherche von ZackZack und „Kronen Zeitung“ durchkreuzt worden. ZackZack veröffentlicht heute den zweiten Teil des Protokolls: den Aufstand der Bundesländer.

Schützenhöfer setzt Kurz und Anschober unter Druck

Als erster Landeshauptmann steigt der Steirer Hermann Schützenhöfer (ÖVP) auf die Barrikaden. Er wendet sich direkt an den Bundeskanzler:

„Frage an Radio Eriwan – wann kommen wie viele Impfdosen?“.

(Schützenhöfer erbost. Bild: APA Picturedesk)

Der Kanzler versucht eine Antwort. „Am Donnerstag im Rat war noch alles eitle Wonne.“ Am Freitag habe man dann erfahren, „dass AstraZeneca plötzlich nur ein Drittel der versprochenen Menge liefert.“ Und Kurz befürchtet noch Schlimmeres:

„Jetzt überlegen Deutschland und USA schon Exportverbote für Impfstoffe.”

Niemand könne jetzt sagen, wie viel Impfstoff kommen werde. Gesundheitsminister Anschober (Grüne) springt ihm bei:

Es tobe „ein beinharter Ressourcenkampf. AstraZeneca will von 2 Millionen auf 600.000 im ersten Quartal runtergehen. Heute gibt es die Nachverhandlung. 600.000 scheinen sicher. Aber der März ist komplett unklar. Vielleicht gibt es eine generelle Reduzierung.“ Man wisse nicht einmal, ob die Mengen, die jetzt gekürzt werden, dann nachgeliefert werden können.

Dann überrascht Anschober alle mit einer neuen Forderung. Er wolle eine

„Transparenzdatenbank, damit wir wissen, wo die Impfstoffe tatsächlich hingehen“.

Einige Diskussionsteilnehmer schütteln den Kopf. Offensichtlich weiß der Minister nicht, wo seine Impfstoffe sind.

Auch Pfizer ungewiss – Kanzler „hilflos“

Kurz versucht es noch einmal: „Für Pfizer und Moderna gibt es genaue Pläne.“ Aber Schützenhöfer lässt nicht locker.

„Kalenderwoche 4 und 7 haben anderes bewiesen. Ab Woche 7 sind die Lieferungen von Pfizer ungewiss.“

Dann nimmt sich der steirische Landeshauptmann Bernhard Bonelli, den Kurz-Kabinettschef (gestern 69 Mal unwissend im Ibiza-Ausschuss), vor. Dieser hatte die Impfstoffverteilung kurzfristig an sich gerissen.

„Was Büroleiter sich ausmachen, zählt für mich nicht. Es gibt nichts Schriftliches.“

Schützenhöfer will jetzt endlich verlässliche Informationen vom zuständigen Gesundheitsministerium. Kurz ist in die Enge gedrängt. Ein Sitzungsteilnehmer berichtet:

„So hilflos habe ich den noch nie erlebt.“

Der Kanzler will das Bundesland wechseln und ruft den Salzburger Landeshauptmann zum Bericht. Aber Haslauer ist schon weg. Offensichtlich hat er keine Lust, die katastrophalen Salzburger Zahlen zu erklären.

Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) verstärkt den Druck: Niederösterreich halte sich an Alterskohorten, also Altersgruppen. Sie mahnt, keine Ausnahmen zu machen für jene Berufsgruppen, die glauben wichtiger zu sein als alle anderen. Sie fragt: „Was ist mit den staatsnahen Unternehmen?“ Und: „Ich will keine Debatte, welche Berufsgruppe wichtiger wäre.“

Damit beginnt die Diskussion um die Impf-Vorreihung von ORF, ÖBB, Verbund und Großbanken, bei welcher Kurz in die Knie gehen wird (“Da holt uns der Teufel”).

“Also können wir gar nicht öffnen”

Nach Niederösterreich kommt Tirol. Landeshauptmann Günter Platter (ÖVP) ist sichtlich verärgert und macht Kurz klar: „Die Stimmung in der Bevölkerung kippt. Die Leute wollen nicht mehr.“

(Wallner ist sich sicher: der Lockdown muss verlängert werden. Bild: APA Picturedesk)

Nach ihm sperrt der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ebenfalls ÖVP) die nächste Tür zu.

„Wien hat schon 23 Prozent der Mutation – das heißt für die Lockerung am 8. Februar, dass dann exponentielles Wachstum droht!“

Wallners Schluss ist kurz und hart:

„Ich will es knallhart in den Raum stellen: Also können wir gar nicht öffnen.“

„Erwartungshaltung künstlich in die Höhe getrieben“

Mitten im Aufstand der schwarzen Landeshauptleute, meldet sich mit Wiens Bürgermeister Michael Ludwig die wichtigste Stimme der SPÖ. Er kritisiert zunächst Kurz und Anschober:

„Die Erwartungshaltung bei den Impfungen wurde selbst künstlich in die Höhe getrieben.“

Ludwig ärgert auch, dass Kurz für die Zeit nach dem 8. Februar keinen Plan habe: „Der Entwurf einer Perspektive ab 8. Februar ist jetzt dringend nötig. Wir dürfen für die Entscheidungen nach dem 8. Februar nicht die Bevölkerung verlieren!“

Leo Schneemann vertritt als Gesundheits-Landesrat den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (ebenfalls SPÖ). Er hat genug von der „Impfmusterschüler-Selbstbeweihräucherung“ der Regierung. Schneemann will Impfstoff – und einen Plan. Aber Kurz hat keinen: „Ich will nicht über Öffnungen ab 8. Februar so früh reden.“ Kurz schließt resignierend, wie ein Sitzungsteilnehmer berichtet:

„Wir wissen nicht ob die AstraZeneca-Zulassung vollständig sein wird, aber ich rechne damit. Was mit AstraZeneca passiert, werden wir wohl aus den Medien erfahren“.

Nach der Videokonferenz resümiert ein Teilnehmer aus den Bundesländern: „Wir bekommen von der Regierung keinen Impfstoff und keinen Plan. Aber wahrscheinlich bald eine Pressekonferenz.“

Am Ende ist mit der ORF-Impfvorreihung ein wichtiger Teil der Phase 2 des Kurz-Anschober-Plans gestorben. Gerade die schwarzen Landeshauptleute haben Zähne gezeigt und alles auf den Kopf gestellt. Erst nach Mikl-Leitners Machtwort scheinen Ältere auf der Prioritätenliste des Impfplans unwidersprochen ganz oben zu stehen – und das, obwohl die Pflegeheime zum landesweiten Zentralfriedhof mutieren. Mit Wallners Ansage wird klar: eine Verlängerung des harten Lockdowns (derzeit bis 8. Februar geplant) bis in den März hinein dürfte in Vorbereitung sein.

(pp/wb)

Titelbild: APA Picturedesk

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