Preisexplosion im Corona-Jahr
Das Corona-Jahr 2020 hat es in sich, insbesondere für einkommensschwache Haushalte, die den Großteil ihres Einkommens für Essen und Wohnen ausgeben: Mieten wurden um 4,1 Prozent teurer, Fleisch um 4,5 Prozent. Das Gehalt oder einige Sozialleistungen werden aber nur um die Inflationsrate, also um 1,4 Prozent, angepasst. Wie soll sich das ausgehen? Chefökonom Oliver Picek sieht den Gesetzgeber vor allem beim Mietrecht am Zug, auch die Arbeiterkammer fordert ein neues Mietrecht.
Wien, 05. Februar 2021 | Es sind nur scheinbar gute Nachrichten: Die Teuerung hat sich in Österreich 2020 leicht verlangsamt. Die Inflationsrate sank von 1,5 Prozent 2019 auf 1,4 Prozent 2020. Viel mehr musste man aber für Essen und Wohnen bezahlen: Die Teuerung bei Nahrungsmitteln war 2020 doppelt so hoch wie 2019, Wohnungsmieten stiegen mit 4,1 Prozent sogar fast um das Dreifache der Inflation, während zum Beispiel elektronische Geräte wie Handys um bis zu 9,2 Prozent sanken. Insbesondere niedrige Einkommen sind von der ungleich viel höheren Preissteigerung bei Grundbedürfnissen wie Essen und Wohnen stark betroffen.
Täglicher Einkauf mehr als doppelt so hoch wie Inflationsrate
Die Teuerung des Mikrowarenkorbs, der Güter des täglichen Bedarfs enthält wie Milchprodukte, Gebäck, Fleisch und die Tageszeitung, fiel 2020 mit 2,9 Prozent mehr als doppelt so hoch aus wie die allgemeine Inflationsrate. Das durchschnittliche Preisniveau des Miniwarenkorbs, der einen typischen wöchentlichen Einkauf abbildet und auch Treibstoffe enthält, ging im Jahr 2020 durchschnittlich um 0,6 Prozent zurück.
Ein starker Preistreiber war Elektrizität, denn die Strompreise stiegen um 5,8 Prozent. Auch Materialien für die Instandhaltung und Reparatur der Wohnung wurden deutlich teurer (+3,1 Prozent), etwa Gipskartonplatten um 6,9 Prozent und Ziegelsteine um 4,2 Prozent.
Preise für Obst und Fleisch stark gestiegen
Beim Essen zogen besonders kräftig die Preise für Obst (4,6 Prozent) und Fleischwaren (4,5 Prozent) an. Für ein Schweinsschnitzel musste man sogar um 6,9 Prozent mehr Geld hinlegen als im Jahr 2019, Würstel wurden um 7,5 Prozent teurer und eine Rindsgulaschkonserve um 8,2 Prozent. Milch, Käse und Eier kosteten um 2,3 Prozent mehr. Die Gemüsepreise stiegen nur um 0,7 Prozent, Brot und Getreideerzeugnisse kosteten um 1,4 Prozent mehr.
Wichtige Preisänderungen 2020 im Vergleich zum Vorjahr. Für größere Ansicht anklicken. Bild: APA
Rohöl und Elektrogüter billiger
Beim Rohöl hingegen sind die Preise 2020 gesunken, damit auch Preise für Treibstoff (Benzin 12,3 Prozent billiger, Diesel 12,7 Prozent). Der Heizölpreis sank im Schnitt um 22,5 Prozent. Preisdämpfer war weiters der Telekom-Bereich: Telefon- und Telefaxdienstleistungen wurden um 1,9 Prozent billiger, Handys sogar um 9,2 Prozent. Auch bei Großwerkzeugen sanken die Preise, ein Rasenmäher kostete im Schnitt um 4,5 Prozent weniger als im Jahr davor.
Arme werden ärmer
„Die Inflationsrate gibt den durchschnittlichen Preissanstieg des gesamten Konsums in Österreich wider. Das ist ein Problem, weil die Reichen in der Bevölkerung viel Geld haben und das tendenziell für Luxusgüter ausgeben. Die teuren Produkte sind aber im Preis nicht so stark gestiegen und drücken so die Inflationsrate, während Güter des täglichen Grundbedarfs wesentlich stärker angestiegen sind. Wenn dann die Gehälter oder Sozialleistungen um die Inflationsrate angepasst werden, dann ist das vor allem für Niedrigverdiener, aber selbst für die Durchschnittsverdiener, die den größten Teil ihres Einkommens zur Deckung der Grundbedürfnisse ausgeben müssen, zu wenig.“
Die Entwicklung, die sich auf Grund dieser verzerrten Berechnung der Inflationsrate abzeichnet: Arme werden ärmer, weil sie immer mehr Geld zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse brauchen, während ihr Gehalt verhältnismäßig weniger steigt wie die Preise für Lebensmittel und Mieten.
„Staat muss mehr bei Mietrecht eingreifen“
Picek weist auf gesetzliche Schwachstellen hin: Der Gesetzgeber müsse mehr eingreifen, um zu vermeiden, dass zum Beispiel öffentlich geförderte Wohnflächen privatisiert werden.
„Dass Wohnraum als Anlage- oder Spekulationsobjekt genutzt wird ist für den Wohnungsmarkt toxisch und treibt die Mietpreise in die Höhe. Das Grundbedürfnis Wohnen darf nicht zum Anlage- oder Spekulationsobjekt werden.“
Auch die Arbeiterkammer fordert ein neues Mietrecht, einen Unterstützungsfonds, die Öffnung von leerstehenden AirBnb-Wohnungen für Menschen in Notsituationen und eine gesetzliche Verlängerung von ablaufenden Befristungen. Zuletzt forderte AK-NÖ-Präsident Markus Wieser einen 1.000 Euro-Gutschein für jeden Haushalt zur Entlastung.
(lb/apa)
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