Wer braucht schon Fakten?
Die Debatte um die Abschottung Tirols gipfelte am Sonntag in der ZIB 2. Der Tiroler Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser erwies sich als überaus faktenimmun.
Wien, 08. Februar 2021 | Der Tiroler Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser hatte sich am Samstag vehement gegen eine Isolierung Tirols aufgrund der südafrikanischen Mutation B 1.351 des Coronavirus ausgesprochen und dem Gesundheitsminister Rudolf Anschober offen gedroht: „Wenn morgen ansatzweise aus dem Gesundheitsministerium etwas kommen sollte, dann werden´s uns am Montag richtig kennenlernen.“
jetzt marschieren die Schützen auf! https://t.co/I9X1PpdRyO
— Corinna Milborn (@corinnamilborn) February 6, 2021
Virologe widerspricht Walser
Aus dem Gesundheitsministerium sollte schließlich bis Sonntagabend nichts “kommen”, zu diesem Zeitpunkt war Walser in der ZIB 2 bei Martin Thür. Tirol werde so wie die anderen acht Bundesländer am Montag den Handel und die körpernahen Dienstleister aufsperren.
Auf die steigenden Zahlen der südafrikanischen Mutation in Tirol angesprochen, meinte Walser, dass das Gesundheitsministerium andere Zahlen als Tirol veröffentliche. Walser behauptete, es gebe derzeit nur acht positive Fälle der Mutation in Tirol. Wieso man so ein „Riesentheater“ um diese paar Fälle mache, verstand Walser nicht. Vermutlich weil der Wirtschaftskammerpräsident Tirols von falschen Zahlen ausging. Der Virologe Andreas Bergthaler bestätigte am Montag, dass mindestens 293 per Ganz- oder Teilgenomsequenzierung Proben mit der “südafrikanischen” SARS-CoV-2-Variante (B.1.351) bisher in Tirol aufgetaucht sind. In anderen Bundesländern waren es nur neun. Die vom Land Tirol genannte Zahl von nur acht aktiven Mutationsfällen hält Bergthaler für unwahrscheinlich. Eine gesicherte Aussage sei aber schwierig. Walser ging jedoch noch weiter: „In kaum einem anderen Bundesland wird so viel sequenziert wie in Tirol und aus dem Grund hat man ja auch diese Mutation.“
Thür widersprach und berief sich auf das Gesundheitsministerium: alle Bundesländer würden derzeit sehr stark sequenzieren. Walser geht davon aus, dass Tirol dreimal so viel wie der Rest Österreichs sequenzierte. Generell verstehe Walser die Diskussion über eine Isolierung Tirols nicht, da die Sieben-Tages-Inzidenz in Tirol niedriger als in anderen Bundesländern sei. Thür entgegnete Walser, dass die Inzidenz keine Aufschlüsse über die Verbreitung der südafrikanischen Variante geben würde.
Drohungen gegen Gesundheitsministerium und Deutschland
Auf die Frage, ob sein Pochen auf Öffnungen angesichts der steigenden Mutationszahlen verantwortungsvoll sei, schoss Walser erneut gegen das Gesudnheitsministerium. “Verantwortungslos ist das, was derzeit aus dem Gesundheitsministerium kommt”. Dem Gesundheitsministerium warf Walser ebenfalls vor, mit “falschen Zahlen” zu agieren und “massiv falsch” zu informieren.
Der bayrische CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte am Sonntag: “Wenn Tschechien und Tirol Mutationsgebiete sind, dann muss man dies auch feststellen und die Grenzen abriegeln“. Walser reagierte mit einer unverholenen Drohung: “Dann muss man vielleicht irgendwann die Frage stellen, wenn schon keiner mehr einreisen soll nach Tirol, ob der Transitverkehr vielleicht in Zukunft nicht durch andere Länder fährt als wie Tirol”.
Bei Ischgl wird es laut
Auch beim Thema Ischgl wurde Walser lautstark. Ende Februar jährt sich der Jahrestag, an dem sich isländische Gäste in Ischgl infizierten. Die Tiroler Behörden reagierten spät, rund 11.000 Infektionen sind europaweit auf Ischgl zurückzuführen. Walser bestritt die Zahlen, die Ischgl-Kommission wäre zu einem anderen Schluss gekommen und in Ischgl hätte man damals sowieso schnell reagiert. Thür, der selbst bei den ausländischen Gesundheitsministerien nachgefragt hatte, wies Walsers Kritik zurück, die Zahlen seien „unbestritten“. Walser hingegen interessierte sich mehr, wie das Virus nach Ischgl kam, das sei die „die grundsätzliche Frage“.
Am Montag griff Tirol nun dem Gesundheitsministerium vor und verkündete ein eigenes Maßnahmenpaket gegen die Ausbreitung. Über Fortschritte in den Verhandlungen mit dem Gesundheitsministerium über eine Isolation gibt es derzeit noch keine Informationen.
Im Netz war die Meinung über Walsers ZIB2-Auftritt einstimmig: Eine Katastrophe.
Ich bin selten sprachlos. Aber jetzt fehlen mir echt die Worte und bin – so wie viele andere – nur noch schockiert. Was für ein arger Auftritt des Tiroler ÖVP Wirtschaftskammer Präsidenten in der #zib2.
— Andi Babler (@AndiBabler) February 7, 2021
Der Wirtschaftskammerchef von Tirol, Walser, ist kriminell, weil gemeingefährlich. Anders kann man das nicht nennen, was dieser Mann gerade in der #ZiB2 von sich gibt. Leugnet schlicht Zahlen gefährlicher Coronavirusmutation, droht rum. Gefahr in Verzug, Kanzler @sebastiankurz
— Thomas Mayer (@TomMayerEuropa) February 7, 2021
Wir testen ganze Regionen sagt Tirols Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser in der #zib2. Im Bezirk Schwaz haben sich momentan knapp fünf Prozent testen lassen. FÜNF PROZENT.
— Amra Durić (@amra_duric) February 7, 2021
Nicht #Tirol ist das Problem, die #ÖVP ist es. In Tirol und in der Bundes #Regierung. Die Interessen ihrer Großspender stehen über dem Interesse der Allgemeinheit. #zib2
— Senad Lačević (@senad_lacevic) February 7, 2021
Ich erwarte, dass der ORF das Walser-Interview mit einem unten eingeblendeten Faktenhinweis in die Mediathek stellt, man kann das so nicht stehen lassen! #zib2
— womöglich Anja Melzer (@mauerfallkind) February 7, 2021
Ein Jahr post Ischgl. Weiter keine Fehler eingestehen, die vom Moderator selbst ausrecherchierten Zahlen mal eben als Fake News darstellen und die Mutation ist sowieso schon überall also eh alles wurscht. Dazu bisschen drohen und bisschen „alle gegen uns“. Uff. #zib2
— Ralph Janík (@RalphJanik) February 7, 2021
(bf)
Titelbild: APA Picturedesk