Wien, 20. Februar 2021 | In der Erzdiözese Köln werden immer mehr Missbrauchstäter bekannt – ein neues Gutachten kommt auf wesentlich mehr Missbrauchstäter und -opfer als bisher angenommen: Laute einem von der Kathpress zitierten “Spiegel”-Bericht kommt der neu von Kardinal Rainer Maria Woelki beauftragte Gutachter Björn Gercke auf rund 300 Betroffene und 200 Beschuldigte seit 1975. Die im Herbst 2018 vorgestellte Missbrauchsstudie der deutschen Bischöfe führte für die Erzdiözese Köln 135 Betroffene und 87 beschuldigte Geistliche aus Akten der Jahre 1946 bis 2015 auf.
Mehr als 270 Opfer
Das Gercke-Gutachten soll am 18. März vorgestellt werden. Eine zuvor bei der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) beauftragte Untersuchung über den Umgang von Diözesanverantwortlichen mit Fällen sexualisierter Gewalt lässt Woelki nicht veröffentlichen, weil sie nach Ansicht einiger Juristen “methodische Mängel” aufweist und nicht rechtssicher sei. Der Untersuchungszeitraum reicht zurück bis 1975. Das Münchner Gutachten nennt nach Information des “Kölner Stadt-Anzeigers” (Samstag) rund 230 Beschuldigte und mehr als 270 Opfer. Das Gutachten von Gercke wertet laut “Spiegel” über 300 Verdachtsmeldungen und 236 Aktenvorgänge aus.
Kardinal räumt Fehler bei Aufarbeitung ein
Woelki wirbt indes um Verständnis für das neu in Auftrag gegebene Missbrauchsgutachten in seiner Erzdiözese. “Tatsächlich benötige ich als Bischof hinsichtlich aller relevanten Personen eine bestimmte qualitative und quantitative Faktenlage, die ein klares und konsequentes Veränderungshandeln dann auch nachhaltig möglich macht”, schreibt Woelki in seinem Fastenhirtenbrief, der am Wochenende in den Pfarren der Erzdiözese Köln verlesen werden soll. Er räumte erneut Fehler bei der Aufarbeitung sowie im Krisenmanagement ein. “Das alles tut mir von Herzen leid”, erklärte der Kardinal.
Kardinal selbst unter Beschuss
Sein Ziel sei weiterhin die Aufklärung der Missbrauchsvergehen und ihrer systemischen Umstände – “selbstverständlich auch im Blick auf meine eigene Person”, betonte Woelki. Der Erzbischof steht derzeit unter Beschuss, weil er ein erstes Gutachten zum Umgang früherer und heutiger Diözesanverantwortlicher mit Missbrauchsfällen nicht, wie zunächst vorgesehen, veröffentlichen lässt. Er begründet dies mit “methodischen Mängeln” in dem Papier.
Freigabe des Gutachtens soll “zeitnah” erfolgen
“Zeitnah” nach Veröffentlichung des Gercke-Gutachtens soll dann laut Woelki auch das ursprüngliche Gutachten freigegeben werden – zuerst für Betroffene und dann für Journalisten sowie weitere Interessierte. “Das wird uns – hoffentlich – helfen, wieder neu aufeinander zuzugehen und uns wieder bereitwilliger zuzuhören in den Anliegen, die uns bewegen.”
(lb/apa)
Titelbild: APA Picturedesk