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Ibiza-Ausschuss: „Dann können wir einpacken!“ – Geheimnis ÖVP-Finanzen

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Ibiza-Ausschuss: „Dann können wir einpacken!“ – Geheimnis ÖVP-Finanzen

Geheimnis ÖVP-Finanzen

Seit Mittwoch ist der parlamentarische Untersuchungsausschuss kein Instrument der Wahrheitsfindung mehr. Vorsitzender Wolfgang Sobotka und die Verfahrensrichter unterbinden jede Frage, deren Antwort die Abgeordneten nicht bereits kennen. Die neuen Regeln gelten, seit die Parlamentarier begannen, Fragen nach der Finanzierung der ÖVP zu stellen.

Aus dem Untersuchungsausschuss berichtet Thomas Walach

Wien, 04. März 2021 | „Haben Sie im ersten Halbjahr 2017 Sebastian Kurz Geschenke angeboten?“ Die Frage stellt SPÖ-Abgeordneter Jan Krainer an die PR-Beraterin Gabi Spiegelfeld, die für Sebastian Kurz‘ Wahlkampf Großspenden sammelte. Die ÖVP-Abgeordneten schreiten ein, rufen den Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka und Verfahrensrichter Roland Rohrer auf den Plan.

Die Frage sei zu unbestimmt. Krainer müsse fragen, wann genau das Angebot erfolgte und welche Gegenleistung Kurz dafür geboten habe. Die Abgeordneten von Opposition und Grünen sind völlig entgeistert. „Wir sind doch hier, um genau das herauszufinden, Herr Vorsitzender“, wirft Nina Tomaselli, Fraktionsführerin der Grünen ein. „Wenn wir das schon wüssten, bräuchten wir ja nicht zu fragen.“ Sobotka und Pöschl bleiben bei ihrer Ansicht. „Dann können wir einpacken und nach Hause gehen“, ruft Tomaselli. Die übrigen Abgeordneten springen ihr bei.

Schon am Mittwoch wurde jede Frage nach den Finanzen der ÖVP mit demselben Argument abgewürgt. NEOS-Abgeordnete Steffi Krisper sagt: „Wir müssen doch erst einmal nachweisen, dass es Zahlungsflüsse gab, bevor wir herausfinden können, ob es für diese Zahlungen Gegenleistungen gab.“ FPÖ-Abgeordneter Hafenecker gibt zu bedenken: „Die Finanzgebarung der FPÖ war in diesem Ausschuss ständig Thema. Da waren diese Fragen noch zulässig.“

Die Abgeordneten legen Spiegelfeld die „Sponsorenliste“ aus den geleakten Unterlagen zur Machtübernahme Kurz‘ in der ÖVP vor. Wer von dieser Liste nahm an den Frühstücksrunden teil? Spiegelfeld zählt dutzende auf.

„Wenden Sie sich an die Schlichtungsstelle!“

Doch die Abgeordneten dürfen etwa nicht fragen, wer das monatliche Honorar von 33.000 Euro für Kanzlerberater Stefan Steiner bezahlt. Sie dürfen auch nicht fragen, wer die Millionenkredite der ÖVP abbezahlt. Verfahrensrichter Pöschl: Nur wenn die Abgeordneten bereits wissen, wer bezahlt, und was dafür als Gegenleistung versprochen wurde, dürfen sie fragen. „Jetzt dürfen wir also nur noch Dinge vorlegen und abfragen: Stimmt das, oder nicht?“, sagt Grünen-Abgeordneter David Stögmüller. In „dieser Radikalität“ habe er das noch nie erlebt.

Seit dieser Woche dient der Untersuchungsausschuss nicht länger der Wahrheitsfindung. Zulässig sind nur noch Fragen, deren Antworten die Abgeordneten bereits kennen. Das Kontrollrecht des Parlaments, das auf Akteneinsicht und der Befragung von Auskunftspersonen beruht, wird damit zur Hälfte ausgehebelt. Sobotka wirft den fassungslosen Abgeordneten ein ums andere Mal triumphierend entgegen: „Wenden Sie sich an die Schlichtungsstelle!“ – also an das Salzamt. Die Schlichtungsstelle ist die Volksanwaltschaft. „Ich gehe nicht zur Volksanwaltschaft“, erklärt Krisper. Warum nicht? Weil es sinnlos wäre.

Verfahrensrichter Pöschl und Rohrer beteiligen sich – vielleicht aus politischer Naivität – an der Untergrabung parlamentarischer Kontrollrechte. Die Lösung wäre einfach: Der Ausschuss muss öffentlich werden, der Vorsitz wechseln. Wenn die Bürger mitverfolgen könnten, wie ihre Vertreter ausgebremst werden, es würde sich Manches ändern.

Anmerkung: Am Donnerstag ist nicht Wolfgang Pöschl, sondern Roland Rohrer als Verfahrensrichter tätig. Der Artikel wurde um 12:12 aktualisiert.

Titelbild: APA Picturedesk

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