“Sebastian Kurz ist ein guter Zuhörer”
Was ist der Unterschied zwischen der Boston Consulting Group und dem Bundeskanzleramt? Bei Boston gäbe es mehr Laptops, sagt die enge Kurz-Beraterin Antonella Mei-Pochtler im Ibiza-Ausschuss. Ihre Rolle bleibt diffus, ihre Stabstelle „Think Austria“ weiter eine Blackbox.
Wien, 17. März 2021 | Antonella Mei-Pochtler, die „Schattenkanzlerin“, steht schon lange als einflussreiche Beraterin hinter Sebastian Kurz. Einst war Bernhard Bonelli einer ihrer Mitarbeiter beim Berater-Riesen Boston Consulting Group. Sie sei aber „erstaunt“ gewesen, als sie erfuhr, in den Ibiza-Ausschuss geladen zu werden.
Blackbox „Think Austria“
Als Kurz 2017 am Ballhausplatz aufschlug, übernahm sie die Stabstelle „Think Austria“, das persönliche Strategielabor des Kanzlers. Und eine Blackbox: Dem U-Ausschuss liegen weder Akten noch Unterlagen zur Denkwerkstatt vor. Öffentlich zugängliche Informationen ermöglichen es nicht einmal, eine gesamte Mitgliederliste von „Think Austria“ zusammenzustellen. Markus Braun, der in U-Haft sitzende Ex-Wirecard-Chef, war jedenfalls einer der schillernden Mitglieder.
Auch E-Mails fehlen, und zwar jede Menge: Zwar gäbe es über 9.500 E-Mail-Korrespondenzen, doch nur ein einziges wurde den Fraktionen in den Ausschuss übermittelt. Diese Auswahl hat übrigens Mei-Pochtler selbst unternommen. Ein Mail, das nicht dazugehört, ist etwa eine Korrespondenz zwischen Mei-Pochtlers Assistentin bei Boston Consulting Group und dem damaligen Novomatic-Boss Harald Neumann.
Mei-Pochtler antwortete aber mit den bekannten Phrasen: Die Stabstelle sei jenseits der Tagespolitik strategisch-beratend für das Kanzleramt tätig. An ihre vielen Termine könne sie sich nicht erinnern. Wie gut sie Wirecard-U-Haft-Mann Markus Braun kenne, wisse sie nicht. Ob sie sich privat mit ihm getroffen habe, sei „Privatsache.“ Zu Parteispenden bis hin zu Gegenleistungen in Form von Gesetzen für Posten wusste sie nichts. Sie würde nicht einmal wissen, wer eigentlich ÖVP-Spender sei.
Begleitet wurde die Elite-Wirtschaftsberaterin ebenso wie Kurz, Bonelli und andere Türkise von Lukas Weigertsdorfer, persönlicher Sicherheitsberater von Kurz. Was den Kanzler ihrer Meinung nach auszeichnet? Er sei ein “guter Zuhörer.”
Offenbar hörte er bei seiner Reise im Wahlkampf 2019 auch dem Uber-Chef gut zu, denn die Gesetzeslage für Uber hat sich mittlerweile geändert. Ob Mei-Pochtler Wahrnehmungen zu Gesprächen mit dem Uber-Chef hatte, um Gesetze so zu ändern, dass Uber in Österreich reüssieren kann? “Keine Wahrnehmung” und sowas habe sie auch nie erlebt, beteuert Mei-Pochtler.
Ehrenamt
Warum manche Großspender direkt in Mei-Pochtlers Kanzler-Gruppe gelandet sind? Einige Fraktionen vermuten, dass man sich dort einkaufen konnte, um „Nähe zum Kanzler“ zu erlangen. Sie habe diese Personen rein auf Grundlage der Kompetenz ausgewählt. Jedoch habe schon der Kanzler die letzte Entscheidung gehabt.
Zudem arbeitet Mei-Pochtler laut Angaben des Kanzleramts und ihr selbst ehrenamtlich. Der SPÖ kommt diese Sache seltsam vor: Rund eine Woche, bevor sie die Stabstelle übernommen hatte, etwas früher gründete sie die „Antonella Mei-Pochtler Advisory GmbH“. Doch auch da stocherte man gestern ins Leere: Diese GmbH habe weder Aufträge von öffentlichen Stellen angenommen noch von ÖVP-Großspendern, so die Kurz-Beraterin.
(ot)
Titelbild: APA Picturedesk