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Anwälte: Informationsfreiheitsgesetz führt zu weniger Freiheit

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Anwälte: Informationsfreiheitsgesetz führt zu weniger Freiheit

Das ist ein Unterüberschrift

Die Rechtsanwaltskammer kritisiert das geplante Informationsfreiheitsgesetz scharf. Es würde zu weniger statt mehr Freiheit führen. Parlamentarische Rechte werden beschnitten.

Wien, 19. April 2021 | Die Rechtsanwaltskammer befürchtet, das geplante Informationsfreiheitsgesetz der türkisgrünen Bundesregierung werde im Endeffekt zu einer weiteren Einschränkung der Informationsfreiheit führen. Zwar soll das Amtsgeheimnis abgeschafft werden – dafür sind so weitreichende Ausnahemregelungen geplant, dass sich Behörden routinemäßig auf sie berufen könnten. Auch parlamentarische Rechte sollen eingeschränkt werden. Ob es Nachbesserungen geben wird, ist offen. ÖVP und Grüne wollen die über 100 Begutachtungsstellungnahmen nun sichten. Im Parlament brauchen ist für den Beschluss des Gesetzes eine Zweidrittelmehrheit nötig.

Geheimhaltung ist im neuen Gesetz u.a. vorgesehen im Interesse der nationalen Sicherheit, zur Abwehr eines erheblichen wirtschaftlichen Schadens für den Staat oder “zur Vorbereitung einer Entscheidung”. Diese Gründe gelten im Wesentlichen auch schon beim derzeitigen Amtsgeheimnis.

Weitreichende Ausnahme

Die Rechtsanwälte kritisieren nun, dass eine der künftigen Ausnahmen zu weit gefasst sei – nämlich die Geheimhaltung von Informationen “zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen”. Dies bedeute eine “nicht unerhebliche Ausdehnung der geheim zu haltenden Informationen“. Denn derzeit sei Geheimhaltung nur “im überwiegenden Interesse der (Verfahrens)Parteien” vorgesehen. Die Rechtsanwälte warnen, dass diese Ausnahme künftig zur pauschalen Ablehnung von Auskünften verwendet wird: “Das Recht auf Zugang zu Informationen ist angesichts dieser sehr umfassenden und teilweise äußerst unbestimmten Einschränkung (…) tatsächlich nicht effektiv.” Kritisiert wird auch, dass Verträge erst ab einem Wert von 100.000 veröffentlicht werden sollen. Hier drohe Missbrauch durch Kettenverträge. Die Entscheidungsfristen halten die Anwälte für zu lang.

Außerdem warnt die Rechtsanwaltskammer vor einer Einschränkung der parlamentarischen Rechte, die zuvor auch die Landtage und Bürgerrechtsorganisationen kritisiert hatten. Denn künftig ist explizit vorgesehen, dass sich Mitglieder der Bundesregierung auch gegenüber dem Parlament auf die Geheimhaltung berufen könnten. Dies ist zwar auch beim Amtsgeheimnis der Fall – allerdings nur wegen eines mutmaßlichen Redaktionsversehens bei der Verfassungsreform von 1929. Die Anwaltskammer schlägt daher unter Verweis auf die “auch bisher problematische Praxis” vor, die Geheimhaltung der Regierung gegenüber dem Parlament gänzlich zu streichen.

Behörden halten sich oft nicht an das Gesetz

Schon jetzt beklagen Abgeordnete der Opposition, dass ihre Fragen nicht oder nur der Form halber beantwortet würden. Auch in Bezug auf Presse- und Bürgeranfragen halten sich Behörden häufig nicht an die geltende Rechtslage. Solche Anfragen müssten – sofern die Arbeit der Behörde dadurch nicht erheblich gestört wird – so rasch wie möglich beantwortet werden. Will die Behörde das nicht tun, muss sie die Auskunft per Bescheid verweigern. Dieser könnte vor den Verwaltungsgerichten bekämpft werden. Tatsächlich kommen Behörden dieser gesetzlichen Verpflichtung aber häufig nicht nach.

Im Büro der zuständigen Verfassungsministerin Edtstadler hieß es am Montag, man wolle die mehr als 100 Begutachtungsstellungnahmen möglichst breit besprechen. Dass die geplanten Geheimhaltungsgründe auch gegenüber dem Parlament gelten sollen, verteidigt Edtstadlers Sprecher allerdings. Dies sei keine Einschränkung, weil ja auch das Amtsgeheimnis gegenüber dem Parlament gelte. Nun gelte es, eine möglichst breite Einigung zu erzielen.

Die Grünen wollen sich die Einwände im Begutachtungsverfahren “sehr genau anschauen”, wie Verfassungssprecherin Agnes-Sirkka Prammer sagte. Die Neuregelung beim Fragerecht der Abgeordneten verteidigt sie als “Fortschreibung der herrschenden Rechtsansicht”.

(APA/red)

Titelbild: APA Picturedesk

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