Die Krise macht uns gläsern
Fingerabdruck zum Entsperren des Smartphones oder Augen-Scans, um einen Ort betreten zu dürfen – die Anwendungsbereiche von Biometrie sind bereits vielfältig: mit dem “Grünen Pass” kommt der nächste Schritt. Die Arbeiterkammer warnt vor Gefahren.
Wien, 20. April 2021 | Sicher könne man sich nicht sein, dass die Bilder- und Audioaufnahmen der Online-Pressekonferenz bei Microsoft Teams nicht abgegriffen und missbräuchlich verwendet werden, sagt Daniela Zimmer, Datenschutzexpertin und Konsumentenschützerin von der Arbeiterkammer Wien. Bei einem Videoanruf produziert man jedenfalls eine Menge an biometrischen Daten. Und die sind nicht nur für Facebook und Google interessant. Es lauern viele Gefahren, wie die Arbeiterkammer am Dienstag darstellte.
Gefahr Identitätsraub
Welche Gefahren in diesem Geschäft lauern, zeigt eine Studie vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Auftrag der AK. Nicht nur das Geschäft mit der Biometrie sei zu problematisch, gerade der Missbrauch könne schwerwiegende Folgen haben. Ursprünglich eine „Hochsicherheitstechnologie“, schleiche sich die Technik zunehmend in unser tägliches Leben ein, so Walter Peissl, Studienautor.
„Identitätsraub“ nennt man das: „Sollten Fingerabdruck oder Gesichtsscan in falsche Hände kommen, hat der durch Datenklau verursachte Schaden dauerhafte Folgen. Wie weist man seine Identität nach? Ist der Schlüssel weg, kann man ihn nachmachen lassen, Körpermerkmale nicht“, warnt Daniela Zimmer. Es brauche jedenfalls dringend eine „regulatorische Vorsorge.“
Strengere Regulierung gefordert
Der Geschäftszweig Biometrie müsse verboten werden. Die Weitergabe und der Handel an Dritte sollte verboten und mit hohen Strafen belegt sein, fordert die Konsumentenschützerin. Banken, die schon jetzt eine Menge an biometrischen Daten der Kunden speichern und lange aufbehalten, sollten diese löschen müssen. Aus unseren Augen-Scans, Fingerprints und ähnlichem Profit zu schlagen, sei „viel zu riskant.“ Ein solches Verbot sollte viel weiter im EU-Recht verankert werden. Auch gegen die Internetriesen müsse vorgegangen werden. Der Gesetzgeber müsse auch klarstellen, dass auch Profilbilder bzw. klassische Selfies biometrische Daten sind. Bisher gilt das nur für Gesichtsporträts. Das sei rückständig.
Auch um Brüssel macht man sich sorgen: Hieß es zunächst, dass man Gesichtserkennungssysteme auf öffentlichen Plätzen für 5 Jahre verbieten will, könnte die Technologie nun unter bestimmten Auflagen erlaubt werden. Wenn man Verbrechen abwenden kann, dann wäre die Technologie auf öffentlichen Plätzen erlaubt. Bloß eine Folgenabschätzung sei durchzuführen. Ein entsprechendes Papier kursiere aktuell in Brüssel. Sie hofft, die EU-Kommission überdenkt dieses Vorhaben noch einmal.
Corona bringt Boom
Letztlich gab vor allem Corona der Biometrie einen neuen Hype. Etwa nun beim Wiener Gurgeltest, der nur bei einer Videoaufnahme anerkannt ist. „Natürlich sind das hochsensible biometrische Daten. Aber schon aus jetziger Sicht fällt das unter die Datenschutzgrundverordnung”, sagt Peissl. Man müsse sehen, wie viel erträglich ist, im Sinne der Seuchenschutzmaßnahme. Sie sollten nach Erfüllen ihres Zweckes gelöscht werden.“ Das Problem? „Das wird nie überprüft.“
Und der neue Impf-Reisepass, das Grüne Zertifikat zur neuen Freiheit? Klar ist, dass das die Regierung bereits beschlossen hat, dass nun auch andere Stellen als Spitäler und Sozialversicherungen auf Gesundheitsdaten zurückgreifen dürfen. Viel mehr Konkretes weiß man nicht. Was geschehe, passiere jedenfalls in hohem Maß „intransparent.“ Deshalb habe man sich noch nicht eindeutig zum „Grünen Pass“ geäußert, weil eben alles viel zu unklar sei. Jedenfalls gehe es jetzt um Gesundheitsdaten. Das seien hochsensible Daten und diese bisher am klassischen Reisepass noch nicht gespeichert. Und diese werden nun mit biometrischen Daten verknüpft – eine neue Qualität.
(ot)
Titelbild: APA Picturedesk