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Coronavirus erschüttert Indien

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Coronavirus erschüttert Indien

Über 300.000 Neuinfektionen täglich

Seit Tagen gerät die Corona-Lage in Indien zunehmend außer Kontrolle. Am Dienstag wurden 323.144 neue Fälle und 2.771 Tote mit einer bestätigten Infektion gemeldet. Spitäler sind bereits überlastet, Sauerstoff ist Mangelware.

Neu-Delhi, 28. April 2021 | Mit einem weltweiten Höchstwert von zuletzt mehr als 350.000 Neuinfektionen pro Tag sind die Spitäler im 1,3 Milliarden-Einwohner-Land am Limit. Viele weisen Patienten aus Mangel an Betten, Ausrüstung und Medikamenten ab. Insbesondere der Sauerstoff zur Behandlung von schwereren Covid-19-Fällen wird knapp. “Wegen des Mangels müssen wir zwei Patienten über eine Sauerstoffflasche versorgen, und das ist zeitaufwendig, weil wir keine langen Schläuche haben”, berichtete ein Arzt eines Krankenhauses in Neu-Delhi.

Bilder: AFP

Sechster Tag in Folge mit über 300.000 Neuinfektionen

Am Dienstag ging die Zahl der Neuinfektionen zwar leicht zurück, lag mit 323.144 aber den sechsten Tag in Folge über 300.000. Experten warnten davor, das als Zeichen der Besserung zu sehen. Vielmehr sei es das Resultat von weniger Tests. “Zu viele positive Fälle werden nicht entdeckt”, twitterte Rijo M John, Professor und Gesundheitsökonom an dem Indischen Institut für Management in Kerala.

Um der Lage Herr zu werden, hatte Indien am Montag die Armee zur Hilfe gerufen. Militärisches Personal im Ruhestand wurde daraufhin in die Kliniken beordert. Patienten sollen in Hotels, Eisenbahnwagen und Aschrams untergebracht werden. Experten fürchten zudem einen Mangel an Ärzten und Pflegekräften. Die Krematorien sind völlig überlastet. Bilder und Videos von Leichen, die auf Parkplätzen vor einem Krematorium verbrannt werden, erschüttern.

https://twitter.com/FabianEberhard/status/1387334703850590209

Bilder: AFP

Neue Virus-Mutante

Ein Grund für die stark steigenden Corona-Infektionszahlen ist die offenbar besonders ansteckende Virus-Mutante B.1.167, die in Indien entdeckt wurde. Zahlreiche Länder haben bereits einen weitgehenden Einreisestopp verhängt. Zudem werden ungeachtet der steigenden Infektionszahlen religiöse und politische Massenveranstaltungen zugelassen. Derzeit finden Kommunalwahlen in Indien statt sowie das Fest der Hindus Kumbh Mela. Rund 20.000 Gläubige versammelten sich am Fluss Ganges in der Stadt Haridwar im Norden des Landes, um sich dort bei dem rituellen Bad von ihren Sünden reinzuwaschen. “Mutter Ganga wird uns beschützen”, sagte eine Frau.

Sauerstoff-Lieferungen aus dem Ausland

Die Lage in Indien rief zahlreiche Länder auf den Plan. Auch China, dessen Beziehung zu Indien wegen des Grenzkonflikts im Himalaya belastet ist, bot Hilfe an. Der Pharmakonzern Gilead stellt Indien 450.000 Fläschchen seines Mittels Remdesivir zur Behandlung von Covid-19 zur Verfügung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will Indien mit 4.000 Sauerstoff-Konzentratoren unterstützen. An einer Lieferung der Geräte, die Sauerstoff aus der Umgebungsluft zur Behandlung anreichern, werde gearbeitet. Die Überlastung der Kliniken werde dadurch verschärft, dass viele weniger schwer Erkrankte in die Krankenhäuser drängten, die auch zu Hause behandelt werden könnten.

Aus Großbritannien kamen 100 Beatmungsgeräte und 95 Sauerstoff-Konzentratoren in der Hauptstadt Neu-Delhi an, wie die Nachrichtenagentur ANI meldete. Aus Frankreich sind nach Angaben der Botschaft Sauerstoff-Generatoren unterwegs, die Patienten in 250 Betten für ein Jahr lang versorgen können. Zudem wurden die ersten Sauerstoffvorräte aus den Armeereserven freigegeben.

Auch Österreich will helfen

Auch Österreich sagte Hilfslieferungen zu. Man befinde sich aktuell im Austausch mit den indischen Behörden bezüglich Hilfsangeboten und Unterstützung bei der Bewältigung der dortigen Epidemie, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag. Eine ZackZack-Anfrage an das Bundeskanzleramt und das Außenministerium, wie genau die österreichische Hilfe aussehen wird, wurde noch nicht beantwortet.

Die Behörden haben 17,6 Millionen Infektionen verzeichnet – das ist nach den USA die zweithöchste Zahl weltweit. An oder mit dem Virus sind fast 198.000 Menschen gestorben. Gesundheitsexperten gehen aber davon aus, dass die Dunkelziffer bei den Toten weitaus höher ist.

(apa/mst)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Markus Steurer

    Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.

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