Start News ÖVP noch auf Verfassungsboden? – Jurist zweifelt an „rechtsstaatlicher Gesinnung“

ÖVP noch auf Verfassungsboden? – Jurist zweifelt an „rechtsstaatlicher Gesinnung“

ÖVP noch auf Verfassungsboden? – Jurist zweifelt an „rechtsstaatlicher Gesinnung“

Jurist zweifelt an „rechtsstaatlicher Gesinnung“

Heftige Kritik von Verfassungsjuristen Heinz Mayer und Kollegen an Gernot Blümel und der Kurz-ÖVP. Man könne an der “rechtstaatlichen Gesinnung” der Akteure zweifeln.

Wien, 07. Mai 2021 | Dass Gernot Blümel (ÖVP) erst nach beantragter Exekution fehlende Akten an den U-Ausschuss weitergeleitet hat, bringt der ÖVP scharfe Kritik von einem Doyen des Verfassungsrechts ein.

Verfassungsexperte wird deutlich

“Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs sind von Staatsorganen auf Punkt und Beistrich unverzüglich umzusetzen. Und wenn das nicht passiert, dann lässt das an der rechtsstaatlichen Gesinnung des Betreffenden sehr zweifeln”, so Heinz Mayer im Ö1-“Morgenjournal”. Das Verhalten Blümels sei symptomatisch für die Kurz-ÖVP: “Das ist die Einstellung der türkisen Partei, dass sie über den staatlichen Institutionen letztlich steht und dass sie sich von den staatlichen Institutionen nicht gängeln lässt”, so Meyer.

„Nicht überraschend“ sei, dass die Akten nun als „geheim“ geliefert wurden.

„Wenn man daran denkt, dass der Herr Finanzminister vor einigen Jahren in türkisen Socken durch das Parlament spaziert ist, dann zeigt das ja eine gewisse Geringschätzung des Parlaments und die hat sich offenbar erhalten”.

Die Affäre um Blümel habe das Potenzial, das Rechtsbewusstsein allgemein zu untergraben. “Wenn man sieht, dass auch ein Regierungsmitglied höchstgerichtliche Entscheidungen ignorieren kann oder zumindest einmal zeigen kann, dass er trotzdem macht, was er will, dann wird das auf das Rechtsbewusstsein der Bürger natürlich möglicherweise abfärben und das ist sicherlich ein ganz fatales Signal, das da gesendet wird.” Wenn das Beispiel Schule mache und man ständig gezwungen sei, mit Exekutionen die Einhaltung verfassungsrechtlicher Verpflichtungen durchzusetzen, “dann wird es schwierig”.

Was passiert mit Kurz?

Auch die Entscheidung rund um die Aktenvorlage von Sebastian Kurz (ÖVP) steht noch aus. Der U-Ausschuss hat weiterhin kein einziges Mail und keinen einzigen Kalendereintrag des Kanzlers erhalten. Über Anträge dazu werden die Beratungen kommende Woche fortgesetzt, teilte der VfGH am Donnerstag mit.

Das Kanzleramt hat dem Gerichtshof in diesem Verfahren 692 Meinungen von Mitarbeitern übermittelt, wonach sie in einem “umfassenden Suchprozess” keinerlei “abstrakt relevante Akten und Unterlagen” gefunden hätten. Diese Vorgangsweise hält Mayer für „mehr als merkwürdig“. “Der Verfassungsgerichtshof wird sich ja nicht pflanzen lassen.“ Das Höchstgericht müsse dafür sorgen, dass seine Entscheidungen beachtet werden, und das werde es vermutlich auch in der Sache Kurz machen, glaubt Mayer.

Auch Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk beurteilte den Beschluss zur Exekution am Donnerstag in der “ZiB2″ als „nicht ganz undelikat”. In der Auseinandersetzung mit dem VfGH seien vonseiten des Finanzministers Argumente vorgebracht worden, “von denen man wissen konnte und wissen musste, dass sie nicht verfangen werden. Es wurde versucht, alles zu mobilisieren, womit man vielleicht eine Chance gesehen hat, diesen lästigen Verpflichtungen zu entgehen”, sagte Funk.

Phantom-Akten

“Aber es war schon klar, dass das nicht greifen wird.” Man müsse sich schon die Frage stellen, “ob da nicht ein taktisch-strategischer Weg eingeschlagen wurde, der im Wesentlichen den Zweck hatte, das ganze Verfahren möglichst abzuwehren”. Bruch ging nicht so weit, von einem Verfassungsbruch zu sprechen. Es sei legitim, Argumente vorzubringen, von denen man glaube, dass sie für die eigene Position nützlich seien – “aber diese Argumente waren und sind grenzwertig”.

Wie schon Van der Bellen verwies auch Funk auf die in der Verfassung vorgegebenen Regelungen, durch die “die nötige Durchsetzungs- und Durchschlagskraft” gewonnen werden könne. Das sei auch im Hinblick auf die noch bevorstehenden Auseinandersetzungen um die Informationen aus dem Bundeskanzleramt von Bedeutung.

Bei Kurz gestaltet sich die Lage aber komplizierter, er hatte vorgebracht, dass bestimmte Informationen “nie vorhanden waren oder gelöscht wurden.” “Wenn etwas dann weg ist, dann ist es eben weg”, dafür gebe es letzten Endes keine durchschlagskräftige Prüfungs- und Entscheidungsmöglichkeit, so Funk.

(ot/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

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