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Kolm gegen Twitter-Userin: Urteil im Fall »Steueroase«

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Kolm gegen Twitter-Userin: Urteil im Fall »Steueroase«

Kolm gegen Twitter-Userin:

Nationalbankvizepräsidentin Barbara Kolm klagte eine Twitter-Userin wegen eines Tweets über eine Steueroase. Am Donnerstag fiel ein Urteil.

Wien, 20. Mai 2021 | Nationalbankvizepräsidentin Barbara Kolm ist die große Abwesende in dem Prozess, den sie gegen Dokumentarfilmerin Patrice Fuchs angestrengt hat. Die hatte Kolm auf Twitter vorgeworfen, beim Aufbau einer Steueroase in Honduras zu helfen. Stimmt nicht, sagte Kolm und klagte wegen übler Nachrede. In der Sache fiel am Donnerstag ein Schuldspruch gegen Fuchs.

“Venceremos!”

Es ist das vorläufige Ende einer juristischen Auseinandersetzung, die sich über Monate hingezogen hat. Fuchs hatte in erster Instanz bei Richter Stefan Apostol Recht bekommen, doch Kolm berief. Das Wiener Oberlandesgericht verwies den Fall zurück und gab Apostol eine deutliche Rechtsansicht mit: Da Twitter-User politisch tendenziell links stünden, sei der Vorwurf, eine Steueroase zu errichten, in den Augen dieses Publikums ehrenrührig. Das gelte besonders für Kolm als Vizepräsidentin der Nationalbank. Also sahen sich Kolms Anwalt und Patrice Fuchs im Landesgericht wieder – ZackZack berichtete. Besonderes Schmankerl zum Nachweis der angeblichen Linkslastigkeit von Fuchs und ihrem Twitter-Publikum: Fuchs habe zum Prozess hoffnungsvoll geschrieben: “Venceremos!” Ihre Anwältin sah sich genötigt zu erklären, dass es sich dabei nicht um einen linken Schlachtruf, sondern um eine Anspielung auf eine Chatnachricht des ehemaligen Justizministers Brandstetter handelte.

Wie schon beim letzten Verhandlungstermin schlägt Apostol – offenbar ohne große Hoffnung – eine Vergleichslösung vor. Beide Parteien sind nicht interessiert. “Jetzt wollen wir es wissen,” sagt Fuchs’ Anwältin.

Der tote Aufsichtsrat

Fuchs versuchte, den Wahrheitbeweis anzutreten. Die entscheidenden Frage: War Barbara Kolm Funktionsträgerin im Aufsichtsgremium der Charter City “Prospera”? Hinter dem Namen verbirgt sich eine Sonderwirtschaftzone in Honduras, die mit einer Steuerquote von 7,5 Prozent und eigener Gerichtsbarkeit um Bewohner und Firmensitze wirbt. Kolm sagt, sie sei mit Übernahme ihrer Funktion in der Nationalbank ausgetreten. Zum Beweis legt ihr Anwalt ein E-Mail Kolms an einen Funktionär der Sonderwirtschaftszone vor, in dem sie ihren Austritt erklärt. Datum: 01. September 2018 – der Tag, an dem Kolm OeNB-Vizepräsidentin wurde.

Fuchs’ Anwältin hat beim Präsidenten von Honduras nachgefragt. Dessen eigene Transparenzbehörde gibt an, dass im Sonderwirtschaftszonen-Aufsichtsgremium immer noch jene Personen seien, die vom Präsidenten per Dekret bestellt worden waren – also auch Kolm. Deren Anwalt gibt zu bedenken: Per Dekret sei auch eine Person bestellt worden, die bereits seit sieben Jahren tot sei. Dass sie nicht mehr im Gremium tätig ist, sei offensichtlich. Er bleibt dabei: Kolm sei “von allen Funktionen” in der Sonderwirtschaftszone zurückgetreten. Gegenteilige Behauptungen dienten lediglich dazu, Kolm “anzupatzen”. Ob Fuchs’ Anwältin die Echtheit des vorgelegten Mails von Kolm bestreite, will Richter Apostol wissen. Tut sie nicht. Sonst noch Beweisanträge?

“Ich beantrage noch einmal die Einvernahme von Frau Kolm,” sagt Fuchs’ Anwältin. “Beweisthema?” Die Frage des Rücktritts von allen Funktionen. Sei durch Kolms Mail abschließend geklärt, findet deren Anwalt und bekommt von Apostol recht. Kolm muss nicht aussagen.

Schuldig

“Im Namen der Republik” ergeht dann das Urteil: Patrice Fuchs ist der “Üblen Nachrede” schuldig. Der Wahrheitsbeweis zu ihren Behauptungen sei ihr nicht gelungen. Fuchs habe auch – als Medieninhaberin ihres Twitteraccounts – nicht genügend journalistische Sorgfaltspflicht walten lassen, weil sie Kolm vor der Veröffentlichung nicht Gelegenheit zu Stellungnahme gegeben hatte.

Fuchs muss das Urteil auf Twitter veröffentlichen und die wohl vierstelligen Prozesskosten tragen. Letzteres ist schwierig für Fuchs. Die dritte Folge des Urteils, eine Entschädigung an Kolm, setzt Richter Apostol angesichts der “tristen Einkommenssituation” von Fuchs mit 500 Euro sehr niedrig an. Das Urteil solle sie “nicht wirtschaftlich ruinieren.”

Kolms und Fuchs’ Vertreter geben keine Erklärung ab, das Urteil ist also nicht rechtskräftig. Kolms Anwalt erklärt auf ZackZack-Nachfrage, dass es seiner Mandantin “nicht um die Entschädigung geht”. Kolm wehre sich lediglich “konsequent” gegen falsche Unterstellungen, die öffentlich kursierten. Ja, das bedeute, dass auch andere, die sich ähnlich äußerten wie Fuchs, von Kolm geklagt würden.

Hat Patrice Fuchs mit dem Schuldspruch gerechnet? “Ich habe damit gerechnet, dass es passieren kann, aber nicht so schnell.” Fuchs hatte gehofft, die Sache ausführlicher darlegen zu können. Kolm mache sich aus ihrer Sicht immer noch “stark für das Projekt”, man dürfe aber nun nicht mehr darüber schreiben. Fuchs’ Anwältin sieht die Äußerungen ihrer Mandantin als zulässige Kritik von der Pressefreiheit gedeckt. Das Gericht entschied anders. Am Donnsertagabend kündigt Patrice Fuchs ZackZack gegenüber an: “Ich werde auf jeden Fall berufen.”

(tw)

Titelbild: APA Picturedesk

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