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Frankreich: Verbot, Polizisten zu filmen, ist verfassungswidrig

Frankreich: Verbot, Polizisten zu filmen, ist verfassungswidrig

Das umstrittene Verbot, Polizisten zu Filmen, ist verfassungswidrig. Drohnen, Überwachung des öffentlichen Raums und andere Teile von Macrons „umfassendem Sicherheitsgesetz“ bleiben.

Aus Frankreich: Georg Gassner

Wien/Toulouse, 21. Mai 2021 | In Frankreich hat das große Reformprojekt zur inneren Sicherheit der Präsidentschaft Emmanuel Macrons im In- und Ausland von Beginn an Fragen über die unverhältnismäßige Beschneidung der Freiheitsrechte aufgeworfen. Nun wurden die öffentlich umstrittensten Abschnitte vom Verfassungsbeirat gekippt. Doch dieser Pyrrhussieg verdeckt andere Eingriffe in die Grundrechte, für die es grünes Licht gab.

Filmen verboten

Die Umsetzung des „umfassenden Sicherheitsgesetzes“ („loi sur la sécurité globale“) war von Anfang an mit Kritik konfrontiert. Die Debatte kommt seit dem ersten Anlauf im Jänner 2020 nicht zur Ruhe. Nach einer ersten Phase der Proteste und Demonstrationen wurde im Zuge der Pandemie die Entscheidung über den Gesetzesbeschluss in den Herbst 2020 vertagt. Es kam wieder zu Massendemonstrationen und landesweiten Protesten, die erneut die umfassenden Zusatzbefugnisse anprangerten, die der Polizei und anderen Sicherheitsbehörden bei der Umsetzung zugestanden würde.

Der medial wirksamste Abschnitt des Gesetzestextes war das Verbot der Anfertigung von Bild- und Videomaterial von Polizeibeamten während ihres Einsatzes. Durch das Filmen und die Verbreitung von Material, das die Identifikation der Personen ermögliche, sei die psychische und physische Integrität der Polizeibeamten gefährdet, so das Argument des Gesetzgebers. Bei nachgewiesenem Vergehen drohten dem Filmenden mehrere Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von bis zu 75.000 €.

Niederlage für Innenminister

Kritiker sahen vor allem die Pressefreiheit in Gefahr. Sogar der Menschenrechtsbeauftragte der UNO sowie Stellungnahmen der EU äußerten nachdrückliche Bedenken bezüglich der darin vorgeschlagenen Reformen. Trotzdem wurde das Gesetz und gerade die höchstumstrittene Bestimmung zum Schutz der Polizei für den Innenminister Gérald Darmanin zum Prestigeprojekt. Wohl auch, weil sich für die anstehenden Regional- und die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr die Partei Marcons mit dem Sicherheitsthema erhofft, im rechten Lager Stimmen gewinnen zu können.

Nach einigen Fehlschlägen bezüglich des Sicherheitsthemas kam es nun, am 20. Mai zum nächsten Rückschlag für die Regierung. Nach den genannten Protesten gegen das Sicherheitsgesetz auf nationaler und internationaler Ebene wurde das Gesetz, nachdem es bereits im Jänner vom Parlament und dem Senat beschlossen wurde, vor der Ratifizierung dem Verfassungsbeirat vorgelegt. Dieser erklärte nun zentrale Abschnitte des Sicherheitsgesetzes für verfassungswidrig, darunter auch das Filmverbot von Polizisten. Dem angeschlagenen Innenminister steht eine zufriedene Medienöffentlichkeit gegenüber, die diese Erklärung als Erfolg ansieht.

Polizei darf Passanten durchsuchen

Das Sicherheitsgesetz selbst war im Zuge der umständlichen Umsetzung mit einem größeren Reformpaket verflochten und als solches beschlossen worden. So wurden Gesetze gegen innerfranzösischen Separatismus oder Bekenntnis öffentlich Bediensteter zur französischen Laizität (Teilung von Staat und Religion) durchgewunken. Im Gesamtpaket fanden sich auch Bestimmungen zur Drohnen- und Videoüberwachung, zur Neuaufteilung der Straf- und Verfügungsgewalt von regionaler und nationaler Polizei sowie zwischen diesen und privaten Sicherheitsdienstleistern.

Während also das Filmen von Polizeibeamten legal bleibt, wurden die anlassunabhängige Durchsuchung von Passanten, die Videoüberwachung des öffentlichen Raums und auch der Einsatz von Drohnen zur Unterstützung der Verfolgung vermeintlicher Straftäter vom Verfassungsbeirat abgesegnet. Auf der einen Seite feiern daher Verfechter der Pressefreiheit einen Sieg, doch dieser Sieg wird davon begleitet, dass die Freiheiten der Polizei zum Überwachen und Strafen umfassend ausgeweitet wurden.

Titelbild: APA Picturedesk

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