News Weltweite Pandemiebekämpfung: »Bundesregierung muss handeln« Thomas Walach - 27.5.2021 84 Das ist ein Unterüberschrift Weniger als zwei Prozent der Bevölkerung in Afrika sind geimpft, Ursache dafür sei u.a. der „Impfnationalismus“ der reichen Staaten. Die AG Globale Verantwortung fordert mehr Hilfen für den Globalen Süden Florian Bayer Wien, 27. Mai 2021 | Auch wenn die Neuinfektionen in Europa zurückgehen und viele Staaten ihre Maßnahmen lockern: Andernorts ist die Pandemie noch längst nicht ausgestanden. Die OECD schätzt, dass erst 2023 oder 2024 sämtliche Staaten mit ausreichend Impfstoff versorgt sind. „Das wäre nicht nur eine moralische Tragödie, sondern auch gesundheitlich und wirtschaftlich fahrlässig“, sagt Annelies Vilim, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Globale Verantwortung. Die AG, ein Dachverband von 34 Hilfsorganisationen in Österreich, fordert daher zusätzliche Mittel für den globalen Süden, „aus Solidarität und aus eigenem Interesse.“ Schließlich bestehe die Gefahr neuer Virusmutationen, solange man die Pandemie nicht weltweit in den Griff bekommt. Vilim: „Ein Tag Lockdown kostet in Österreich zwischen 190 und 243 Millionen Euro. Wir fordern die Bundesregierung auf, umgehend 200 Mio. Euro zur Verfügung zu stellen.“ Impfstoff teuer und knapp Während in Europa 30 Prozent der Bevölkerung zumindest einmalig gegen Covid-19 geimpft wurde, sind es in Asien nur 5,5 Prozent, in Afrika gar nur 1,7 Prozent (Zahlen von Our World in Data). Im kriegsgebeutelten Jemen wurde gar nur eine von rund 2.000 Personen geimpft. Mit ausbleibenden Immunisierungen besteht das Risiko, dass neue Varianten den Impfschutz unterlaufen. Für viele Staaten ist der Impfstoff nicht leistbar. Derzeit steht er oft auch gar nicht zur Verfügung, denn die reichsten Staaten mit 15 Prozent der Weltbevölkerung haben sich bereits 70 Prozent der Impfstoffe für 2021 gesichert, heißt es von der AG Globale Verantwortung. Um die „Mammutaufgabe“ von weltweiten Impfungen zu bewerkstelligen, sollte auch ein weltweiter Technologietransfer oder kostenlose Lizenzierungen angedacht werden. „Die fehlende Verfügbarkeit und hohen Preisen sind auch die Folgen von Impfnationalismus und bilateralen Kaufverträgen. Beides treibt die Preise der Impfstoffe in die Höhe“, sagt Walter Hajek, Leiter der internationalen Zusammenarbeit beim Österreichischen Roten Kreuz. Um etwa 80 Prozent der äthiopischen Bevölkerung zu impfen, bräuchte es Impfstoff um 4,2 Milliarden Dollar. Dieser Betrag allein – noch ohne Logistik, Personal, Impfkampagnen – seien 3,36 Prozent des äthiopischen BIP, mehr als das gesamte Gesundheitssystem dort ausmacht. „Solche Ausgaben können sich viele Staaten schlicht nicht leisten“, sagt Hajek. Mehr Mittel für COVAX Das COVAX-Programm (Covid-19 Vaccines Global Access) der WHO stellt zwar 92 ärmeren Staaten verbilligte oder kostenlose Impfdosen zur Verfügung, braucht aber dringend mehr Mittel: Laut WHO allein heuer weitere sechs bis acht Mrd. Dollar. Österreich hat angekündigt, COVAX mit 2,9 Mio. Dollar zu unterstützen – deutlich weniger als andere europäische Länder (Deutschland 971 Mio., Schweden 23 Mio.), kritisiert die AG Globale Verantwortung. Und es brauche noch weit mehr als bloß den Impfstoff selbst, sagt Hajek, denn COVAX sorge bloß dafür, dass Impfstoffe am Flughafen der jeweiligen Hauptstädte ankommen. Am schwierigsten sei aber erfahrungsgemäß die letzte Meile zu den Menschen. „Die Logistik war und ist in Österreich schon eine Herausforderung. In afrikanischen Staaten, besonders in entlegenen Regionen ohne Strom, ist das unter Einhaltung der Kühlketten noch weit aufwändiger“, so Hajek vom Roten Kreuz. Herausforderungen in Afrika Generell kommen in Afrika spezifische Herausforderungen dazu: Das Durchschnittsalter der Bevölkerung beträgt 18 Jahre (Europa: 44, Österreich 42 Jahre). Rund 40 Prozent der Bevölkerung ist weniger als 14 Jahre alt. „Impfzulassungen für unter 16-Jährige sind daher dort besonders wichtig“, sagt Eva Schernhammer, Epidemiologin an der MedUni Wien. Dazu kämen strukturelle Herausforderungen wie schwache Gesundheitssysteme und eine aufgrund stärker verbreiteter chronischer Erkrankungen (HIV, Tuberkulose, Diabetes etc.) besonders hohe Mortalität unter Covid-Erkrankten. Und auch wenn künftig auf Covid fokussiert wird, dürften andere Impfprogramme (etwa Masern, Pocken, Polio) nicht zurückgefahren werden, sagt Hajek. Besonderes Augenmerk solle auf marginalisierten Gruppen liegen, etwa Frauen, Ältere und Menschen mit Behinderungen. „Viele würden sich gern impfen lassen, haben aber Angst, weil sie keine Informationen haben“, sagt Sabine Prenn, Österreich-Geschäftsführerin von Licht für die Welt. Deshalb brauche es mehr Informationen, auch in Gebärdensprache und Braille-Schrift. Mehr Hilfe gefordert „Die Bundesregierung ist gefordert, ihre internationale Verantwortung wahrzunehmen“, heißt es vom Dachverband. Es brauche dringend Sofortmaßnahmen zur Prävention und Eindämmung der Pandemie, gleichzeitig aber auch mehr langfristige Programme, u.a. in den Bereichen Bildung, Armutsbekämpfung und Gesundheit. Wir haben das Außenministerium um eine Antwort gebeten, ob und wie man auf diese Forderungen reagiert und welche Anstrengungen diesbezüglich bereits unternommen wurden. Bis Redaktionsschluss erhielten wir keine Antwort. Titelbild: APA Picturedesk Autor Thomas Walach 84 Kommentare Meisten Bewertungen Neueste Älteste Inline Feedbacks Zeige alle Kommentare Weitere Kommentare anzeigen