Das ist ein Unterüberschrift
2014 schossen prorussische Seperatisten in der Ukraine ein Passagierflugzeug ab. Alle 298 Passagiere, darunter 80 Kinder, starben. Am Montag begann in Amsterdam der Mordprozess.
Amsterdam/Kiew/Moskau, 07. Juni 2021 | Knapp sieben Jahre nach dem Abschuss einer Passagiermaschine über dem Osten der Ukraine mit fast 300 Todesopfern geht der Strafprozess in eine entscheidende Phase. In Abwesenheit der vier Angeklagten begann am Montag in einem besonders gesicherten Gebäude am Amsterdamer Flughafen das Hauptverfahren unter Vorsitz vonv Richter Hendrik Steenhuis.
Angeklagte in Russland
Die Staatsanwaltschaft klagt drei Russen und einen Ukrainer wegen Mordes an 298 Menschen an. Sie sollen für den Abschuss der Maschine mit einer russischen Luftabwehrrakete verantwortlich sein. Die Boeing der Malaysia Airlines mit Flugnummer MH17 wurde am 17. Juli 2014 auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur über umkämpftem Gebiet in der Ostukraine abgeschossen. Alle Insassen wurden getötet. Da die meisten Opfer aus den Niederlanden kamen, wird dort auch der Prozess geführt.
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hatten die vier Angeklagten hohe Funktionen bei den prorussischen Separatisten. Die vier sollen sich in Russland aufhalten. Nur einer der Angeklagten wird von einem Anwalt vertreten. Eine Auslieferung durch Russland droht ihnen nicht.
Kremlsprecher Dmitri Peskow kritisierte am Montag einmal mehr, dass Russland von den internationalen Untersuchungen zum Abschuss der Boeing ausgeschlossen worden sei. Trotzdem werde das Verfahren in den Niederlanden genau verfolgt. Russland nehme weiter auch andere mögliche Versionen für den Absturz der Maschine in den Blick.
Russische Fake News
In Russland kursierte lange eine Version, wonach die Maschine von einem ukrainischen Kampfjet abgeschossen worden sei. Beweise gibt es nicht. Eine Verantwortung für das Verbrechen hatte Moskau stets zurückgewiesen. Präsident Wladimir Putin hatte schon kurz nach dem Abschuss die Ukraine allein verantwortlich gemacht. Unter internationalen Experten gilt ein Angriff mit eine russischen BUK-Rakete der 53. Luftabwehrbrigade als Absturzursache unstrittig.
Putin argumentierte, das Nachbarland hätte aus Sicherheitsgründen den Luftraum sperren müssen – wegen der Kampfhandlungen in dem Kriegsgebiet. Kurz vorher war ein ukrainisches Militärflugzeug abgeschossen worden. Dieses flog allerdings deutlich niedriger als Verkehrsflugzeuge. Nach dem Abschuss der Transportmaschine des ukrainischen Militärs war der Luftraum nur für niedriger Flughöhen gesperrt worden – die zivile Luftfahrt war kaum betroffen. Russland steht international in der Kritik, durch seine Unterstützung der Separatisten – auch mit Waffen – den Krieg angeheizt zu haben.
Zivilgesellschaftliche Kritik an Russland
Um an die mutmaßliche Mitverantwortung Russlands zu erinnern, stellten Opferangehörige am Vortag der Verhandlung vor der russischen Botschaft in Den Haag erneut 298 leere weiße Stühle in der Formation der Passagierkabine auf – einen für jeden Toten. Die Gruppe Waarheidsvinding MH17 (Wahrheitsfindung MH17) warf der Regierung in Moskau vor, Russlands Verstrickung in den MH17-Abschuss zu verschleiern.
Bei der Botschaft sei ein Schreiben der Gruppe an Putin abgegeben worden, berichtete der niederländische Sender NOS. Hans de Borst, einer der Angehörigen, sagte dem Sender: “Da wird ein Massenmord begangen, wenn vielleicht auch aus Versehen, und dann verschwindet man einfach. Das können wir nicht akzeptieren.” Die Stühle seien bereits zum vierten Mal vor der Botschaft aufgestellt worden. “Und vielleicht müssen wir das noch zehn Mal tun”, sagte De Borst.
Wann in dem Gerichtsverfahren ein Urteil verkündet werden kann, ist noch nicht klar absehbar. Laut Mitteilung bekommt die Staatsanwaltschaft am 17. und 18. Juni die Gelegenheit zu weiteren Darlegungen, anschließend dann auch die Verteidigung. Weitere Anhörungen sind bis zum 9. Juli geplant. Im September sollen dann Angehörige der Opfer vor Gericht zu Wort kommen.
(APA/red)
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