Start Report Cluböffnung, weniger Masken: Regierung lockert, Experten mahnen zur Vorsicht

Cluböffnung, weniger Masken: Regierung lockert, Experten mahnen zur Vorsicht

27
Cluböffnung, weniger Masken: Regierung lockert, Experten mahnen zur Vorsicht

Cluböffnung, weniger Masken:

Im Juli enden Beschränkungen für Großveranstaltungen und die Nachtgastronomie. Experten befürworten die Öffnung, warnen aber vor Leichtsinn – man dürfe nicht glauben, die Pandemie sei vorbei.

Wien, 18. Juni 2021 | “Alles was Spaß macht, am Abend und in der Nacht, kann wieder stattfinden. Es kann getanzt, gefeiert, geheiratet werden”, freute sich der Kanzler, zur Abwechslung die Medien mit guten Nachrichten zu dominieren. Ab Anfang Juli fällt österreichweit die Lokal-Sperrstunde und Großveranstaltungen ohne Einschränkungen wie Maskenpflicht, Teilnehmerhöchstzahl und Abstandspflicht können abgehalten werden.

Und auch die Nachtgastronomie wird dann geöffnet – zuerst mit 75 Prozent der maximalen Kapazität, ab 21. Juli ohne Beschränkung. Mit diesem Datum fällt überdies die Registrierungspflicht in der Gastronomie und die Maskenpflicht in Museen, Geschäften etc. – ausgenommen bleiben nur Öffis und Geschäfte des täglichen Bedarfs, wo allerdings ein Mund-Nasen-Schutz anstatt einer FFP2-Maske ausreichen soll. Für alle Öffnungsschritte gilt weiterhin die 3G-Regel (geimpft, getestet oder genesen).

„Noch nicht vorbei“

Die wichtigste Frage: Können wir uns das erlauben? Vor einem Jahr hat die Regierung bei weit besseren Infektionszahlen gelockert, die Rechnung kam dann im Spätsommer und Herbst mit einer mächtigen zweiten Welle, die das heimische Gesundheitssystem um ein Haar überwältigt hätte. Diesmal sind die Ausgangsbedingungen deutlich besser, Experten mahnen aber weiterhin zur Vorsicht.

„Die Leute müssen im Hinterkopf behalten, dass das Ganze noch nicht ganz vorbei ist“, sagte Umweltmediziner Hans Peter Hutter im Ö1-Mittagsjournal. Durch die vielen Öffnungsschritte in letzter Zeit sei in der Bevölkerung der Eindruck entstanden, „dass das eigentlich gegessen ist.“

Auch dass die Maskenpflicht teilweise zurückgenommen wird, sieht Hutter kritisch: „Die Maske ist ein gewisses Signal und hat auch Wirkung gezeigt. Nun wird der Automatismus, der in unser Alltagsleben eingeführt ist, wieder zerstört.“ Das sei problematisch, weil nach wie vor viele noch nicht geimpft sind. Erst knapp 30 Prozent der Bevölkerung über 12 Jahre sind vollständig immunisiert.

Delta-Variante: „Stetige Zunahme“

Hinsichtlich Delta-Variante erwarte Mückstein eine stetige Zunahme in den kommenden zwei Monaten. Auch Virologe Norbert Nowotny von der VetMed Uni Wien teilt diese Einschätzung im ZackZack-Gespräch. Dennoch seien „die Lockerungen gerechtfertigt, zumal ja die 3G-Auflagen weiter gelten“, so Nowotny. Ihm sei „das kontrollierte Feiern in Clubs und Diskos lieber, als ungetestet Feiernde am Karlsplatz und Donaukanal.“

Mit einer Einschränkung: Dass die Antigen-Schnelltests beim Zugang gleichberechtigt mit den viel genaueren PCR-Tests und Impfschutz sind. Laut AGES haben die Schnelltests eine Trefferquote von bloß 40 Prozent. Bei den selbst durchgeführten und online eingemeldeten Nasenbohrertests düfte sie noch deutlich niedriger sein.

Aktuell werden 86 Prozent aller PCR-Tests (etwa mit „alles gurgelt“) in Wien durchgeführt, in den Bundesländern hingegen viel zu wenige. Dort brauche es noch deutlich mehr, sagt Nowotny. Auch generell sinkt die Zahl aller durchgeführten Tests – momentan sind es laut „Our World in Data“ ein Viertel weniger als noch Anfang Juni.

Monitoring und Impfung

Wie schon im Vorjahr werden Urlaubsrückkehrer viele Infektionen mit nach Österreich bringen, sagt Nowotny. Derzeit sind vor allem britische Urlauber ein Ansteckungsrisiko, denn mehr als 90 Prozent der dortigen Neuinfektionen gehen auf die Delta-Variante zurück. Mit Kontrollen an den Grenzen zu anderen EU-Mitgliedsländern rechnet er nicht, weswegen das Beibehalten einer hohen Testinsentität das Um und Auf sei.

In Mitteleuropa liegt der Anteil der Mutation derzeit noch im einstelligen Bereich. In Österreich ist sie mittlerweile in allen Bundesländern angekommen, aber noch auf niedrigem Niveau. Nowotny rechnet mit einer gleichmäßigen Ausbreitung aufgrund mehr und mehr Geimpfter, wenn auch langsamer als bei der britischen Variante im Frühjahr. Bis dahin müsse Österreich vor allem „impfen, impfen, impfen“, denn mindestens 80 Prozent Immunisierte (inkl. Genesener) werde es für eine Herdenimmunität brauchen. Auch das Monitoring müsse intensiv weitergeführt werden, sagt Nowotny.

Bei der Öffnungs-Pressekonferenz überwog der Optimismus. Gefragt nach einem Konzept für stark steigende Zahlen im Herbst, antwortete Mückstein: „Wir haben im Sommer die Möglichkeit, die Fallzahlen sehr genau zu beobachten. Und wir haben die Möglichkeit, durchzuimpfen.“ Konkreter wurde er nicht, auch ZackZack-Anfragen an das Gesundheitsministerium und an das Bundeskanzleramt zu dieser und anderen Fragen blieben unbeantwortet.

(fb)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Markus Steurer

    Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.

27 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare