Start News Nehammer will weiter nach Afghanistan abschieben – Kickl: »Bluff der Türkisen«

Nehammer will weiter nach Afghanistan abschieben – Kickl: »Bluff der Türkisen«

71
Nehammer will weiter nach Afghanistan abschieben – Kickl: »Bluff der Türkisen«

Kickl: »Bluff der Türkisen«

Während die Taliban ihren blutigen Vormarsch fortsetzen und nun kurz davor sind, die Hauptstadt Kabul einzunehmen, hält Innenminister Nehammer am Samstag weiter an Abschiebungen nach Afghanistan fest. FPÖ-Chef Kickl spricht von einem “Bluff der Türkisen”.

Wien/Kabul, 14. August 2021 | Nach Einschätzung der Vereinten Nationen wird die Lage der Menschen in Afghanistan immer verzweifelter. “Wir stehen kurz vor einer humanitären Katastrophe”, sagte eine Sprecherin des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) am Freitag in Genf. Vor allem Frauen und Kinder würden vor den vorrückenden Taliban flüchten.

Trotz der verheerenden Lage in Afghanistan und heftiger Kritik spricht sich Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) jedoch weiter gegen einen generellen Abschiebestopp nach Afghanistan aus. “Es ist einfach, einen generellen Abschiebestopp nach Afghanistan zu fordern, aber andererseits die zu erwartenden Fluchtbewegungen zu negieren. Wer Schutz benötigt, muss diesen möglichst nahe am Herkunftsland erhalten”, so Nehammer zur APA am Samstag.

Schallenberg und Nehammer wollen vor Ort helfen

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) will bei der Bekämpfung der Schlepperei auf regionale und internationale Kooperation setzen: “Wir werden die Nachbarstaaten nicht im Stich lassen, wenn es um das Grenzmanagement und den Kampf gegen die organisierte Kriminalität geht”. Hier könne man auf die Erfahrung der in Wien ansässigen Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zurückgreifen – etwa was den Aufbau von Kapazitäten im Bereich Grenzschutz, Kampf gegen Terrorismus, Menschen-, Drogen- und Waffenschmuggel betrifft, so der Minister.

Um die illegale Migration in Richtung Europa – “und somit auch nach Österreich” – einzudämmen, brauche es einen “ganzheitlichen Ansatz”, sagte Nehammer. Das vordringliche Ziel müsse es daher sein, die Nachbarstaaten Afghanistans bei der Bewältigung dieser “schwierigen Aufgaben” zu unterstützen. “Wir werden wie in der Vergangenheit auch weiterhin humanitäre Hilfe vor Ort leisten, um die Not der Zivilbevölkerung zu lindern,” ergänzte Schallenberg.

Kickl: “Peinlicher Bluff der Türkisen”

FPÖ-Chef Herbert Kickl sprach von einem “peinlichen Bluff der Türkisen”: “Die ÖVP versucht mit allen Mitteln den Anschein zu wahren, man würde weiter Abschiebungen nach Afghanistan durchführen. Tatsache ist, dass der letzte Abschiebeflug bereits vor zwei Monaten stattgefunden hat und seitdem kein einziger Afghane außer Landes gebracht wurde”, so der Parteiobmann in einer Aussendung am Samstag.

Kickl verwies auch darauf, dass bis Juli 2021 den 2.514 Asylanträgen lediglich 199 Außerlandesbringungen von Afghanen gegenüberstehen. “Kurz und Nehammer tun einmal mehr so, als würde die Bundesregierung eine harte Linie bei Abschiebungen vertreten, dabei ist genau das Gegenteil der Fall, nämlich eine Asylantragsflut und ein seit Monaten bestehender Stopp bei den Abschiebungen. In Wahrheit sind die Türkisen damit voll auf der Linie des grünen Koalitionspartners”, so Kickl.

Taliban kurz vor Angriff auf Kabul

In Afghanistan spitzt sich die Lage derweil weiter zu. Nach der zweitgrößten Stadt Kandahar in der Nacht und der Stadt Lashkar Gah in der Früh eroberten die Taliban mit Pul-e Alam in der Provinz Logar eine Provinzhauptstadt nur 70 Kilometer südlich der Hauptstadt Kabul. Die Taliban hätten dort die wichtigsten Regierungseinrichtungen der Stadt übernommen und den Provinzgouverneur sowie den Geheimdienstchef gefangen genommen, sagten ein Provinzrat und ein Parlamentarier der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Aus Sicherheitskreisen heißt es seit längerem, dass in der Provinz Logar Taliban-Kämpfer für einen Angriff auf Kabul versammelt werden. Die Taliban kontrollieren fünf der sieben Bezirke, die zwei näher zur Provinz Kabul liegenden – Khoshai und Mohammed Agha – sind umkämpft. Von Pul-e Alam sind es nur rund eineinhalb Stunden mit dem Auto nach Kabul.

Bild: AFP

Am Freitag ließ das Innenministerium die Frage, ob Österreich auch dann bei seiner Haltung bleiben würde, wenn die Hauptstadt Kabul in die Hände der Taliban fallen sollte, noch offen: “Die Sicherheitslage in Afghanistan wird gemeinsam mit dem Außenministerium laufend beobachtet und beurteilt”, hieß es. erneut wurde betont, dass Österreich bereit stehe, “Afghanistan im Rahmen konkreter Hilfsersuchen zu unterstützen, um seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen zu können”.

UN-Guterres warnt vor “Verschlechterung der Lage”

UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte vor einer Verschlechterung der Lage. “Afghanistan gerät außer Kontrolle”, erklärt er und fordert die Taliban auf, ihre Offensive sofort zu stoppen. Die Staatengemeinschaft müsse deutlich machen, dass “eine Machtergreifung durch militärische Gewalt ein aussichtsloses Unterfangen ist”. Dies könne nur “zu einem längeren Bürgerkrieg oder die komplette Isolation Afghanistans führen”.

Inzwischen sei die Lebensmittelversorgung von etwa einem Drittel der Bevölkerung nicht mehr sichergestellt, erklärte ein Sprecher des Welternährungsprogramms (WFP). Allein zwei Millionen Kinder seien auf Hilfe angewiesen. Die Lage werde immer unübersichtlicher.

(mst/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Markus Steurer

    Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.

71 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare