Der Bürgermeister der größten Marktgemeinde Österreichs ist in der Flüchtlingsdebatte definitiv nicht einer Meinung mit seinem Partei-Chef Sebastian Kurz. Ihm „tut die Positionierung Österreichs weh“.
Wien, 01. September 2021 | Im “Vol.at”-Interview zeigt sich der Lustenauer ÖVP-Bürgermeister Kurt Fischer mit dem Kurs der türkisen ÖVP nicht einverstanden. Die Positionierung der Kurz-ÖVP in der Frage der Aufnahme von afghanischen Schutzbedürftigen tue dem Bürgermeister persönlich weh. Als „leidenschaftlicher Österreicher und Europäer“ sehe er die Außenwirkung sehr kritisch.
“So sind wir nicht”
Ein Satz, der Fischer besonders weh tue: der oft von der türkisen ÖVP propagierte Sager, dass sich 2015 nicht wiederholen dürfe. Er habe das Jahr persönlich aus unterschiedlichen Blickwinkeln erlebt. Als Familienmensch, als Bürgermeister und als Kurator der Caritas. Er sei besonders stolz darauf, was die Zivilgesellschaft 2015 leistete. Deswegen sei auch der Satz, „2015 darf sich nicht wiederholen“ für Fischer ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die in diesem Jahr Hilfe leisteten. “Da möchte man manchmal auch entgegenhalten, hinausschreien manchmal innerlich oder hinausbellen: ´So sind wir nicht´”.
Im “Vol.at”-Interview spicht Fischer über seine gegensätzliche Haltung zum türkisen ÖVP-Kurs. Ab 38:30 min.
“Kategorisch zu sagen: Aber jetzt ist genug, wir nehmen keinen Einzigen und keine Einzige”, sehe Fischer demnach als eine falsche Haltung. Sein Zugang zu diesem Thema sei ein anderer. Diesbezüglich spricht er auch von politischer Heimatlosigkeit. “Wir wollen humanitäre Signale setzen”, so Fischer. Dass man alle Flüchtlinge aufnehmen wolle, sei eine verzerrte und unfaire Auffassung: „Das will niemand.“
“Krise der Demokratie”
Die fehlende Wertschätzung gegenüber den Gemeinden spricht der Bürgermeister ebenfalls an. In unterschiedlichen Krisen habe Fischer, der seit 2010 Bürgermeister von Lustenau ist, erlebt, dass man auf manchen Ebenen die Bedeutung der Gemeinden, der kommunalen und regionalen Politik, unterschätze. „Und deswegen bin ich auch besorgt, sind wir auch zutiefst in einer Krise der Demokratie.“ Beim Parteitag der ÖVP war Fischer übrigens nicht zu Gast. Er war bei einer anderen Veranstaltung: „25 Jahre Netz für Kinder“.
(bf)
Titelbild: screenshot/vol.at