Skylla und Charybdis
Die Hand, die Kurz ausstreckt, verteilt Watschn – für alle, die nicht auf seiner Seite sind. Das Pandemiemanagement ist Symptom für eine Politik der Spaltung.
Julya Rabinowich
Die Pandemie hat vieles endgültig ins Wanken gebracht, das auch vorher schon Risse und Abgründe zeigte. Die Ungleichheit. Das prekäre Erwerbsleben. Die Rolle der Frauen in der Gesellschaft. Der schiefhängende Generationenvertrag. Der Wert, der den Kindern und Jugendlichen insgesamt zugemessen wird. Wie wir mittlerweile erkennen können, sind diese Kinder und Jugendlichen weniger wert als das gepflegte Skifahren. Apres-Ski wurde immerhin vor Saisonbeginn durchgeplant, der Start der Schulsaison hingegen nicht. Sollen sie doch Stoßlüften, wenn sie nicht im Nobelhotel Apres-Ski haben können!
Verantwortung ist wohlfeil
Wie man an all diesen Punkten unschwer erkennen kann: Es geht um die Würde des Einzelnen und um das Funktionieren des Staates. Es geht um Gesundheit und Vertrauen in die Justiz. Es geht um die Schere zwischen Arm und Reich. Es geht, genau genommen, um alles. Es geht um die sogenannte Wurst, von der nicht viel für die Allgemeinheit übrigbleibt, wenn man den Bock zum Gärtner macht. Es geht um nichts weniger als ein ausgeglichenes Zusammenleben. Um den Boden unter den Füßen. Um Vertrauen in die Politik. Um Demokratie. Um den Anstand, den jene mit Macht haben sollten. Als Vorbilder, sozusagen. Als Verantwortungsträger. Einige haben sich wohl gefragt, wo die Leistung war. Aber kaum einer fragte, wo diese Verantwortung denn blieb! Im Gegenteil, die Wege der Leistung und der Verantwortung nehmen manchmal völlig entgegengesetzte Richtungen, und während das erstere gern sofort großzügig entlohnt wird, müssen für das zweitere, verantwortungslos geleistete, meist andere als die Entlohnten aufkommen.
Die Hand, die einen ohrfeigt
Dort, wo es um die Wurst gehen sollte, geht es längst nicht mehr um Fakten. Längst geht es nicht mehr um Inhalte. In einer Zeit, in der wir den Zusammenhalt am dringlichsten brauchen würden, klare Ansagen und Handschlagqualität. Womit wir endgültig bei der Krönung austriakischer Momentanzustände und damit beim Kanzler dieser Republik angekommen wären. Die Handschlagqualität von Sebastian Kurz ist die Watschn. Versteckt hinter betenden Händen ist die fütternde Hand. Familie oder nicht, das ist hier die Frage. Zuckerbrot und Peitsche: das ist die Antwort. Die Anpatzenden: das sind die anderen. Hier geht es um alternative Fakten nach bester trumpesker Manier. Und um Politik der öffentlichen Erniedrigung, der Spaltung, der Ablenkung und der Täuschung. Er hat nicht den geringsten Vorsatz, hielt der Kanzler gerade fest. Aber er hat leider eine Menge Nachsätze.
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