»Mehr als ein Zufall«:
Es muss doch »mehr als ein Zufall« sein, dass gegen die ÖVP ermittelt wird, sagt Andreas Hanger. Ist es ja auch. Dachte Hanger bisher etwa, die Justiz würde gegen zufällig ausgewählte Bürger statt gegen Tatverdächtige vorgehen?
Thomas Walach
Wien, 20. Oktober 2021 | Ermittelt wird gegen: Ex-Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP), Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Ex-Parteivize Bettina Glatz-Kremsner (ÖVP), Kabinettschef Bernhard Bonelli (ÖVP), Ex-Generalsekretär Thomas Schmid (ÖVP), ÖBAG-Sprecherin Melanie Laure (ÖVP), Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP), Medienbeauftragter Gerald Fleischmann (ÖVP), Ministeriumssprecher Johannes Pasquali (ÖVP), Kanzlersprecher Johannes Frischmann (ÖVP) und die ÖVP (ÖVP).
Das kann doch kein Zufall sein!
Das könne doch keine zufällige Häufung sein, empört sich Abgeordneter Andreas Hanger (ÖVP). Ist es auch nicht. Hanger hat Recht. Nur bei der Erklärung für seine Beobachtung ist der Mann falsch abgebogen. Dass gegen so viele ÖVP-ler ermittelt wird, kann sich Hanger nur durch eine finstere Verschwörung linker Zellen in der Justiz erklären. Wer das glaubt, der glaubt auch, es gäbe in der Feuerwehr eine Verschwörung gegen brennende Häuser. Die wirkliche Erklärung ist natürlich viel einfacher: Korruptionsermittler ermitteln gegen die ÖVP weil die mutmaßlich bis auf die Knochen korrupt ist. Die Leute machen einfach ihre Arbeit.
Hanger könnte man noch zugutehalten, dass er sich selbst möglicherweise glaubt. Aber Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ist klüger. Wenn Sie nun erklärt, Chats, in denen die Führung ihrer Partei (ÖVP) intrigiert, um sich mit mutmaßlich kriminellen Methoden das Land aufzuteilen, wären privat; wenn sie nachschickt, dass man Gesetze reformieren solle, damit „private“ Chats auch privat blieben, weiß sie genau, was sie tut.
Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit
Seit Monaten hat die ÖVP zu ihrer Verteidigung nichts anderes vorzubringen. Die Platte ist hängengeblieben. Sehen Leute wie Hanger (ÖVP), Edtstadler (ÖVP) oder Köstinger (ÖVP) nicht ein, dass das alles sinnlos ist? Die Ermittlungen gehen nicht weg. Immer mehr Chats werden auftauchen. Und irgendwann wird es wohl Haftstrafen für die Beteiligten geben. Wie der Fall von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (ÖVP) zeigt, kann das noch Jahre dauern. Aber es wird passieren, egal wie sehr sich die Bediensteten der „Familie“ öffentlich zum Affen machen.
Österreich wird Kurz und seine Boygroup, vielleicht auch die Backgroundsängerinnen los werden. Die wirkliche Arbeit liegt aber noch vor uns: Den politmedialen Komplex, jenes System aus Verhaberung und wirtschaftlicher Abhängigkeit, aufzudröseln, in dem Typen wie Haider, Grasser und Kurz so prächtig gedeihen konnten. Dafür werden wir einen langen Atem brauchen.
Titelbild: APA Picturedesk