Staatsbürgerschaft?
Wolfgang Goldberg ist sauer. Der 67-jährige Deutsche hat den Großteil seines Lebens in Österreich gelebt und gearbeitet. Jetzt will er auch Staatsbürger werden. Doch die Forderungen der MA 35 machen es ihm alles andere als leicht.
Wien, 23. Oktober 2021 | “Wer nicht wählen geht, kann auch nicht mitreden”, sagt Wolfgang Goldberg zu seinen Beweggründen, endlich die österreichische Staatsbürgerschaft erlangen zu wollen. Noch kann der 67-jährige Deutsche, der sein ganzes Leben lang hier Steuern gezahlt hat und “mit Schrecken die derzeitigen politischen Geschehnisse verfolgt”, aber nicht mitreden. Bis man in Österreich die Staatsbürgerschaft bekommt und somit auch wählen gehen kann, hat man der zuständigen Behörde für Einwanderung, der MA 35, so einiges vorzuweisen.
“Fühl mich schon ewig als Österreicher”
Goldberg ist mittlerweile in Pension, wohnt gemeinsam mit seiner Frau in Wien. Im Alter von sechs Jahren ist er mit seinen Eltern von Deutschland ins oberösterreichische Wels gezogen. Nach der Schule absolvierte er eine Ausbildung zum Koch, war danach viele Jahre für einen großen Lebensmittelkonzern tätig. Im Jahr 2009 wurde er gekündigt und arbeitete dann bis zu seiner Pensionierung als Berufs- und Weiterbildungstrainer. Gearbeitet hat er, bis auf zwei kurze berufliche Abstecher nach Schweden und Russland, großteils in Österreich.
“Ich fühle mich schon seit einer Ewigkeit mehr als Österreicher, als als Deutscher. Das spiegelt sich sogar darin wieder, dass ich sogar beim Fußballmatch Österreich gegen Deutschland zu Österreich halte”, so Goldberg gegenüber ZackZack. Dass er in Österreich aufgewachsen ist, merkt man auch an seinem Dialekt. Jetzt will er aber endlich auch auf dem Papier Österreicher sein. Goldberg stellte also einen Antrag an die zuständige MA 35.
Volksschulzeugnis aus 1961? “Das ist lächerlich”
Diese forderte nach Durchsicht der ersten Unterlagen aber einige weitere Nachweise. Der Mietvertrag, monatliche Mietnachweise und die Passkopie seiner Ehefrau waren für den 67-Jährigen noch nachvollziehbar und leicht aufzustellen. Die Behörde verlangt aber wegen seiner Expat-Tätigkeit in Russland auch einen dortigen Strafregisterauszug, ausgestellt von der Botschaft in Wien. Auch “alle Schulzeugnisse aus Österreich (von 1961-1970)” werden von ihm verlangt.
Vorwürfe macht er den Mitarbeitern der MA 35 keine, viel mehr störe ihn das ganze System: “Wenn ich dann mein Volksschulzeugnis aus dem Jahr 1961 dafür vorweisen muss, ist das einfach lächerlich. Was soll denn das aussagen? In meinem gesamten Berufsleben hat nie jemand nach meinen Zeugnissen gefragt.” Goldberg fragte daraufhin bei der Behörde nach, ob die alten Zeugnisse wirklich notwendig seien. Jene aus der Volksschule hat er nämlich nicht mehr. Am Freitag kam dann die Antwort einer MA 35-Mitarbeiterin, die Vorlage des Zeugnisses der 8. Schulstufe würde reichen:
“Berichtigend zu meiner gestrigen E-Mail darf mitgeteilt werden, dass betreffend der Schulzeugnisse nur das Jahresschulzeugnis der 8. Schulstufe verlangt wird, da eine positive Beurteilung im Unterrichtsfach „Geschichte“ die Überprüfung von Grundkenntnissen der demokratischen Ordnung und die sich daraus ableitbaren Grundprinzipien sowie der Geschichte Österreichs und des Bundeslandes Wien entfällt.”
Bleibt die, laut Aussagen Goldbergs, “mühsame Beschaffung” des Strafregisterauszugs aus Russland. Sollte die Behörde diesen weiter von ihm einfordern, würde er es ganz lassen wollen, das sei schließlich “über 10 Jahre her”.
(mst)
Titelbild: ZackZack