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Neonazi-Symbol in Bundesheer-Werbefilm

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Neonazi-Symbol in Bundesheer-Werbefilm

Das ist ein Unterüberschrift

Ausgerechnet in einem Werbefilm zum Nationalfeiertag trägt ein Soldat des Bundesheeres ein privates Abzeichen aus der Neonazi-Szene. Wie konnte das passieren?

Wien, 27. Oktober 2021 | Anlässlich des Nationalfeiertags produzierte das Bundesheer einen Werbefilm. Mithilfe einer App konnten Internetnutzer einem Soldaten im Film ein beliebiges Gesicht verpassen. Einer der Soldaten im Video trägt auf seinem Helm ein privates Abzeichen. Es zeigt Odins Raben, ein Symbol, das unter Neonazis als Erkennungszeichen beliebt ist. Im Bundesheer-Film wird es prominent in Szene gesetzt, selbst in jener Einstellung, die als Vorschaubild gewählt wurde, ist es deutlich zu sehen.

Bundesheer vermutet Lokalpatriotismus

Wie konnte das passieren? Michael Bauer, Sprecher des Verteidigungsministeriums, sagt auf ZackZack-Nachfrage, der Film sei von einer externen Firma produziert worden. Bei der Abnahme durch das Heer habe man den Patch übersehen, obwohl mehrere Personen an der Kontrolle des Films beteiligt gewesen seien.

Das Tragen privater Abzeichen auf Uniformen des Heeres ist grundsätzlich verboten. Das spezielle Symbol, um das es geht, unterliegt jedoch nicht dem Verbotsgesetz, wie Bauer betont. Der Heeressprecher vermutet einen Zusammenhang zwischen dem Wappen der Heimatgemeinde des Soldaten – dem steirischen Straß – und dem Patch. Zwischen Straß und dem Jägerbataillon 17, dem der Soldat angehört, bestehe historisch eine enge Verbindung.

Das Gemeindewappen von Straß zeigt zwar einen Raben, mit dem Neonazi-Symbol auf dem Helm des Soldaten hat der aber nichts zu tun. Der „Odinsrabe“ ist Symbol oder Namensgeber neurechter und neonazistischer Organisationen und Zeitschriften, wie der Germanistikprofessor Georg Schuppener feststellt. Auch die Broschüre „Das Versteckspiel“ der Berliner „Agentur für soziale Perspektiven“ – die Broschüre gilt für Neoazismus-Experten als maßgeblich – verweist auf die besondere Bedeutung des Odinsraben für extrem rechte Kreise.

Tanner: rechte Umtriebe im Heer „nahezu unmöglich“

Der gleiche Patch, den der Bundesheersoldat stolz am Helm trug, sorgte 2017 in Deutschland für einen Skandal. Ein Beamter der Polizeispezialeinheit SEK hatte den Odinsraben an der Uniform getragen, ausgerechnet bei einem Einsatz wegen einer Demonstration antifaschistischer Gruppen. Die Sache ging durch die deutschen Medien, das Landeskriminalamt Sachsen ermittelte – ergebnislos. Weil der Odinsrabe in Deutschland wie auch in Österreich nicht verboten ist, konnte man dem Beamten nur das Tragen eines privaten Aufnähers anlasten.

Laut Auskunft des Bundesheers soll der Soldat aus dem Video am Mittwoch befragt werden. Vorher könne man das Motiv des Mannes nicht beurteilen. Nur so viel: Wäre der Soldat ein Neonazi, hätte seinen Kameraden das auffallen müssen. Im Juli sagte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), eine „Häufung rechter Umtriebe“ sei im Bundesheer „nahezu unmöglich“, denn die Kameraden würden „sofort Meldung machen, wenn sie links- oder rechtsradikale Tendenzen in ihrem Umfeld wahrnehmen. Sie sind in der Regel dafür sensibel,“ sagte Tanner.

Im aktuellen Fall geschah das jedenfalls nicht. Alleine von 2017 bis 2019 wurden zwölf Bundesheersoldaten wegen rechtsradikaler Umtriebe angezeigt. Das geht aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ-Abgeordneten Sabine Schatz hervor. Auf Vorfälle, die nicht strafrechtlich relevant sind, ging Verteidigungsministerin Tanner nicht ein. Welche Maßnahmen das Bundesheer trifft, um gegen rechtsextreme Umtriebe in den eigenen Reihen vorzugehen, wollte Tanner unter Verweis auf „Geheimhaltungsgründe“ und im Interesse der „umfassenden Landesverteidigung“ nicht verraten.

Es wird „gemauert“

Dass es im Bundesheer keine rechtsextremen Strömungen gebe, glaubt Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) nicht. Gegenüber der „Zeit“ sagte Peham: „Wir erfahren immer wieder von rechtsextremistischen Aktivitäten.“ Die Dunkelziffer sei mutmaßlich hoch, denn nach außen werde „gemauert“, erklärt Peham.

Nach Ansicht des ÖAW-Experten beträfe das Problem vor allem Grundwehrdiener. Aktuell geht es aber um einen Kadersoldaten. Wie konnte es sein, dass der Patch mit dem Neonazi-Symbol niemandem auffiel? Man wolle den Fall erst einmal in Ruhe beurteilen, sagt Bundesheersprecher Bauer. Ob es ein strukturelles Problem gebe und man etwa Abläufe ändern müsse, könne man erst danach sagen.

Auf Hinweise, dass im Imagevideo des Bundesheers ein Neonazi-Symbol prominent in Szene gesetzt wird, reagierte das Heer nur zögerlich. Während das Video von Twitter rasch entfernt wurde, blieb es auch nach wiederholten Hinweisen auf Facebook noch stundenlang abrufbar. Bundesheersprecher Bauer behauptete faktenwidrig, das Video wäre entfernt worden. Eine Comic-Version des Videos ist auf Facebook nach wie vor zu sehen – Rabensymbol inklusive.

(tw)

Titelbild: Screenshot Bundesheer

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