Landesweite Proteste
Nach der Ankündigung des Senats in Rom, Verhandlungen über das Anti-Homophobie-Gesetz einzustellen, kommt es zu Protesten in Italien. Der Gesetzentwurf hätte Gewalt gegen LGBTQI+-Menschen und Behinderte sowie Frauenfeindlichkeit als Hassverbrechen eingestuft.
Wien, 29. Oktober 2021 | Nachdem der Senat in Rom am Mittwoch nach monatelangen Debatten ein geplantes Anti-Homophobie-Gesetz gestoppt hat, ist es am Donnerstagabend in mehreren italienischen Städten, darunter Rom und Mailand, zu Protesten gekommen. Gruppen von Menschenrechtsaktivisten versammelten sich in Rom unweit des Kolosseums und protestierten gegen den Beschluss des Senats.
Volksinitiative geplant
Die Gesetzesinitiative, die nach seinem Initiator dem Mitte-Links-Abgeordneten Alessandro Zan (Partito Democratico) benannt ist, wurde zuvor von der Abgeordnetenkammer trotz monatelanger Proteste von rechtsextremen und katholischen Gruppen gebilligt. Im 315 Mitglieder zählenden Senat wurde jedoch am Mittwoch mit 154 zu 131 Stimmen für eine Einstellung der Debatte über das Gesetz gestimmt. Damit ist sie in ihrer aktuellen Fassung, die Homo-, Bi- und Transsexuelle unter besonderen Schutz stellen sollte, gescheitert. Mit der Abstimmung im Senat über das Zan-Gesetz “hat sich Italien auf eine Linie mit Polen und Ungarn begeben”, protestierte Sozialdemokraten-Chef Enrico Letta. Seine Partei sei bereit, eine Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative über die Rechte der nicht heterosexuellen Minderheit zu starten, um auf diesem Wege das Zan-Gesetz durchzusetzen.
Vorwurf: Linke haben dagegen gestimmt
Pina Picierno, Abgeordnete der PD im Europäischen Parlament, bezeichnete die Abstimmung als “eine der schlimmsten Seiten in der Geschichte der Italienischen Republik”. Nach Ansicht der rechtsextremen Parteien, die im Senat gegen den Gesetzentwurf stimmten, hätte das Gesetz die Meinungsfreiheit unterdrückt und “homosexuelle Propaganda” in Schulen gefördert. Die Sozialdemokraten beschuldigten die in Rom mitregierende Mitte-Links-Kraft „Italia Viva“ um Expremier Matteo Renzi, den Gesetzentwurf zu Fall gebracht zu haben. Zwar habe sich „Italia Viva“ bereit erklärt, für das Zan-Gesetz zu stimmen, bei der Geheimabstimmung hätten die Senatoren der Partei jedoch gegen den Gesetzentwurf gestimmt. Auch Renzi steht im Kreuzfeuer der Kritik. Er zählte zu den vier Senatoren seiner Partei, die bei der Abstimmung abwesend waren. Die Abstimmung im Senat, mit der der Gesetzentwurf blockiert wurde, wurde von Matteo Salvinis rechtsextremer „Lega Nord“ und den „Fratelli d’Italia“ unter der Führung von Giorgia Meloni bejubelt. Auf Facebook triumphierte der „Lega Nord“-Senator Simone Pillon mit den Worten: „Bye, Bye Zan. Es gibt noch Hoffnung für Italien.“
Vatikan intervenierte
Im vergangenen Juni hatte der Vatikan in einer beispiellosen Intervention die italienische Regierung aufgefordert, den Gesetzesentwurf zu ändern, da er befürchtete, dass es die “Gedankenfreiheit” der katholischen Kirche verletzen würde. Die Debatte über die Verabschiedung des Gesetzes wurde angestoßen nachdem es zu einer Reihe von öffentlichkeitswirksamen Angriffen auf Homosexuelle und Transgender-Personen kam. Der Entwurf sah für Personen, die wegen solcher Verbrechen verurteilt werden, eine Haftstrafe von bis zu vier Jahren und eine Aufstockung der Mittel für Organisationen, die sich für die Bekämpfung von Diskriminierung und die Unterstützung von Opfern einsetzen, vor.
Menschenrechtsorganisationen erhalten jedes Jahr Hunderte von Berichten über Hassverbrechen, aber viele bleiben ungestraft. Obwohl Italien im Jahr 2016 gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften zugelassen hat, ist das Land bei der Einführung von Maßnahmen gegen Homophobie hinter seinen EU-Partnern zurückgeblieben.
(nb/apa)
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