Kiril Petkow ist fast am Ziel. Der designierte Ministerpräsident Bulgariens soll am Montag gewählt werden und damit Kurz-Freund Boiko Borissow vergessen machen. Borissow sieht sich schweren Korruptionsvorwürfen ausgesetzt.
Wien, 11. Dezember 2021 | Bulgariens Präsident Rumen Radew hat am Samstag der neugegründeten Partei “Wandel fortgesetzt” (PP) den Regierungsauftrag erteilt. Designierter Ministerpräsident ist Parteichef Kiril Petkow. Der kündigte an, die neue Regierung in Sofia noch am Montag vom Parlament wählen zu lassen. Petkow erklärte auch, dass schwierige Aufgaben zwar bevorstehen würden, aber zu lösen seien. Man wolle die Hoffnungen der Bulgaren nicht enttäuschen. So soll auch Generalstaatsanwalt Iwan Geschew abgelöst werden. Er gilt als Hauptursache dafür, dass Ermittlungen zu politischen Korruptionsvorwürfen bislang oft im Sande verlaufen sind. “Solange wir keine funktionierende Generalstaatsanwaltschaft haben, können wir keinen einzigen Dieb fassen“, so Petkow.
Tiefgreifende Reformen gefordert
“Sie haben die Verantwortung, tiefgreifende Reformen in Bulgarien voranzutreiben, die Korruption und die Gesetzlosigkeit zu bekämpfen und die Hinterzimmerpolitik zu beenden”, wandte sich Präsident Radew an den designierten Regierungschef Petkow. Bulgarien gilt laut Transparency International zu den korruptesten Staaten der EU. Sollte die von Petkow angeführte Regierung nicht gleich in ihren ersten 100 Amtstagen entschiedene Veränderungen vorweisen können, werde sie den Kampf um den Rechtsstaat Bulgarien verlieren, warnte Radew. Zudem betonte er, dass die Überwindung der Armut und die Durchsetzung der nationalen Interessen Bulgariens im Ausland weitere Ziele der Regierungsarbeit sein sollten.
Nach der Annahme des Regierungsauftrags erklärte Petkow, dass sein Kabinett zwei schwierige Aufgaben unmittelbar zu lösen habe – die Coronakrise im Land mit der niedrigsten Impfquote in der EU und die Folgen der steigenden Energiepreise. “32 Jahre nach der Wende ist die Zeit gekommen, dass die Bulgaren endlich Gerechtigkeit erfahren müssen”, so Petkow. Diese Hoffnung der Bürger wolle die nächste Regierung nicht enttäuschen, fügte er hinzu.
Wahlsieg nach Korruptionsskandal um Kurz-Freund
Erst im September hatte Petkow (41) gemeinsam mit seinem Studienkollegen von der US-Eliteuniversität Harvard, Assen Wassilew (44), die Antikorruptionspartei “Wandel fortgesetzt” (PP) gegründet. Am 14. November gewann die Partei dann überraschend deutlich die dritte Parlamentswahl in diesem Jahr. Die postideologische PP geht eine breite Regierungskoalition mit drei weiteren Parteien ein: der postkommunistischen Sozialistischen Partei (BSP), der Populistischen Formation (ITN) und der antikommunistischen Koalition Demokratisches Bulgarien.
Der kleinste gemeinsame Nenner für die vier künftigen Regierungsparteien ist die politische Isolation der Mitte-Rechts-Partei GERB von Langzeitpremier Boiko Borissow. Der ehemals enge Vertraute von Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat ebenso mit schweren Korruptionsvorwürfen zu tun – die Ursache für die politische Neuordnung im armen Balkanland. Außerdem wird Borissow eine Nähe zur Mafia nachgesagt. Anders als in Österreich kommt es jetzt wohl zu einer breiten Regierungsallianz in Bulgarien. Das erinnert an Israel, wo acht Parteien von links bis rechts regieren, um Benjamin Netanjahus Macht zu brechen. Auch der sieht sich schweren Korruptionsvorwürfen ausgesetzt.
(wb/apa)
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