Sobotka-Sager lässt Wogen hochgehen
Bei Wolfgang Sobotka liegen die Nerven blank. Vergleiche der russischen Invasion mit der Befreiung Österreichs vom NS-Regime sind Teil einer beispiellosen Tirade des Präsidenten, der kommende Woche dem U-Ausschuss vorsitzen soll.
Wien, 26. Februar 2022 | Kurz vor dem kommenden ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss sorgt Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) mal wieder dafür, dass man seine Eignung für höchste Ämter bezweifeln muss. So zumindest der einhellige Tenor in Politik, Medien und Social Media nach seinen jüngsten Aussagen.
Verharmlosung des Faschismus
So stellte er im sogenannten “Club 3”-Gespräch von „Krone“, „Profil“ und „Kurier“ die Forderung, er solle den Vorsitz im U-Ausschuss abgeben, mit der Ausschaltung des Parlaments 1933 gleich. Eine beispiellose Entgleisung für den ÖVP-Politiker, der in vielen Strängen als befangen gilt. Sobotka kommt mehrfach in den BMI-Chats vor, er hat sich schon beim Ibiza-U-Ausschuss viele Feinde gemacht.
Er selbst scheint für Kritik blind zu sein: „Es wird nicht möglich sein, mit permanenten Unterstellungen jemanden rauszukicken”, wehrte sich Sobotka abermals gegen Aufforderungen, er solle den U-Auschuss abgeben. Und weiter: “Dann könnte man auch die Zweite Präsidentin und den Dritten Präsidenten rauskicken. Und wer soll es dann machen? Das haben wir schon einmal gehabt – 1933.“
Setzt Besatzungsmächte mit Putin-Aggression gleich
Doch damit nicht genug. Den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine verglich er mit der Befreiung Österreichs vom NS-Regime 1945. Geflüchtete müsse man zwar aufnehmen, allerdings sollten die Ukrainer in ihrem Land bleiben: „Was wäre gewesen, wenn alle Österreicher nach 1945 geflohen wären?“. Damit setzte er die Befreiung der Besatzungsmächte mit dem Angriffskrieg Wladimir Putins gleich.
Sobotkas Russlandnähe ist zwar schon länger bekannt, bei einem Besuch in Moskau im Jahre 2017 traf er auf Wirecard-Vorstand Jan Marsalek. Ein Jahr später besuchte er die Staatsduma, deren Präsident die Ukraine frontal attackierte – Sobotka störte sich nicht daran. Einflussreiche Mitarbeiter seines damaligen Innenministeriums sorgten mit Russland- und Wirecard-Verstrickungen für Wirbel.
Für die Opposition sind die neuen Entgleisungen allerdings zu viel des Guten. SPÖ und NEOS bezeichneten Sobotka als untragbar. “Fassungslos” zeigte sich SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried über die “unerträglichen Geschichtsvergleiche” Sobotkas. “Wenn Sobotka die Lage der Ukraine mit Österreich 1945 gleichsetzt – also den Angriffskrieg Russlands mit der Befreiung Österreichs vom NS-Regime – dann ist das eine Schande”, meinte Leichtfried. Die Aussagen zur Ausschaltung des Parlaments 1933 seien wiederum ein weiterer Beleg, “dass er für das Amt ungeeignet ist”.
Das sind völlig jenseitige Vergleiche! Sobotka vergleicht seine Befangenheit und damit die Forderung, dass nicht er den Vorsitz im U-Ausschuss führt mit der Selbstausschaltung des Parlaments. Und den Angriffskrieg Putins auf die Ukraine mit der Befreiung Österreichs! Unfassbar! https://t.co/x7MDnAK2ro
— Beate Meinl-Reisinger (@BMeinl) February 26, 2022
Ähnlich reagierten die NEOS. “Das sind völlig jenseitige Vergleiche. Als Historiker weiß Präsident Sobotka das auch. Ich appelliere eindringlich an ihn, diese Aussagen umgehend zurückzuziehen und sich dafür zu entschuldigen”, meinte deren stellvertretender Klubobmann Nikolaus Scherak in einer Aussendung.
Aufregung im Netz
Auch im Netz gingen die Wogen hoch. „Wutpräsident“ Sobotka solle zurücktreten, hieß es mehrfach auf Twitter. Eine Userin: „Der Nationalratspräsident, der gerne bei Gedenkveranstaltungen auftritt, sollte dringend ein besseres zeitgeschichtliches Verständnis an den Tag legen. Der Vergleich ist untragbar.“ Der Chef der „Salzburg Krone“ Claus Pandi sagte, das Parlament müsse sich unverzüglich die Frage stellen, ob Sobotka für die Funktion des Nationalratspräsidenten geeignet sei.
Die wahnwitzigen Worte des Wutpräsidenten aus Waidhofen. In der Tat: eine monströse Ungeheuerlichkeit. Danke für den Thread, @Natascha_Strobl! https://t.co/gvsjmVklyp
— dieter chmelar (@chmelar_dieter) February 26, 2022
„Falter“-Chef Armin Thurnher forderte Sobotka derweil zum 616. Mal auf, zurückzutreten. Er widmete dem Enfante Terrible der österreichischen Innenpolitik einen Reim: „Sie wissen wohl, wo wir mit den Gedanken waren. Wär freundlich, würden Sie sich uns ersparen. Herr #Sobotka, treten Sie zurück!“ Andere hielten sich noch kürzer: „Was für eine Niedertracht“.
(wb/apa)
Titelbild: APA Picturedesk