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Ukraine: Trainieren für den Kampf

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Ukraine: Trainieren für den Kampf

Ukraine:

Tausende Ukrainer wollen kämpfen. Jene, die nicht eingezogen werden – Frauen, ältere Männer – schließen sich Freiwilligeneinheiten an. Sie üben für den Krieg.

Lemberg, 19. März 2022 | “Wir wissen nicht, wie viel Zeit wir haben, um uns auf die Schlacht vorzubereiten”, sagt Taras Itschtschyk. Der 27-Jährige hat sich der ukrainischen Freiwilligenarmee in der Westukraine angeschlossen. Noch ist die Front weit entfernt, doch die Kämpfer wollen auf die russischen Truppen vorbereitet sein.

In einem Dorf in der Nähe von Lwiw (Lemberg) trainieren Freiwillige und Rekruten, junge und ältere. Wo genau, muss geheim bleiben. “Diese Schulungen finden rund um die Uhr statt, sieben Tage die Woche”, sagt Itschtschyk, der bei dieser regionalen Brigade der Territorialverteidigung für die Kommunikation zuständig ist.

Freiwillig in den Krieg

Das Training ist streng. Die Rekruten lernen den Umgang mit Waffen, zu schießen und sie zu reinigen. “Wir müssen immer mehr üben, der Krieg geht weiter und wir müssen uns auf verschiedene Szenarien vorbereiten”, sagt Itschtschyk, ein junger Mann mit dunklen Haaren und Schnurrbart.

Im ganzen Land haben sich tausende Männer und Frauen zwischen 18 und 60 Jahren freiwillig der Territorialverteidigung angeschlossen. Sie sollen ihr Land in den Dörfern und Städten verteidigen, in denen sie wohnen. Die Freiwilligenarmee wurde 2014 gegründet, als Moskau die Schwarzmeer-Halbinsel Krim annektierte und der Konflikt mit den pro-russischen Separatisten im Osten begann. Inzwischen ist sie Teil der ukrainischen Streitkräfte.

Die Region Lwiw blieb bisher vergleichsweise unberührt von den Kämpfen, viele Ukrainer suchen deshalb hier Zuflucht vor den Angriffen im Osten und Süden des Landes. In der Nacht auf Freitag schlug jedoch nach ukrainischen Angaben ein Marschflugkörper in einer Fabrik in der Nähe des Flughafens von Lwiw ein. Am Sonntag tötete ein Angriff auf einen Militärstützpunkt in der Region 35 Menschen.

Kampfname “Krim”

Itschtschyk fürchtet nicht nur Angriffe aus der Luft, sondern auch russische Saboteure, die Unruhe stiften könnten. Zwischen verlassenen Gebäude üben acht Soldaten seiner Gruppe in voller Kampfmontur und mit automatischen Waffen im Anschlag, sich in Formationen oder Zweiergruppen zu bewegen.

Ein Soldat füllt konzentriert das Magazin seiner Kalaschnikow mit Patronen. Der 45-Jährige stammt von der Krim und hat sich deshalb den Kampfnamen “Krim” gegeben. Er kämpfte bereits 2014 und 2015 in der Ostukraine, wurde von Splittern einer Mörsergranate verletzt und galt als kriegsuntauglich.

Kalaschnikow statt Schusterleisten

Angesichts des Überfalls auf sein Land entschied sich der Schuster dennoch, wieder zur Waffe zu greifen. “Ich ziehe die Demokratie dem Totalitarismus vor”, begründet er seinen Entschluss. Nicht alle in seiner Familie können das verstehen. “Meine Tochter, die auf der Krim geblieben ist, sieht das anders”, sagt er.

Bis vor drei Wochen habe er “ein friedliches Leben” geführt, sagt ein anderer Freiwilliger, der sich “Bender” nennt. Er arbeitete in der Immobilienbranche und kümmerte sich um seine vier Kinder. Vom Soldatenleben hatte er keine Ahnung. “Aber tief in meinem Inneren war ich schon lange bereit dafür”, sagt der 40-Jährige.

(afp – Clara Marchaud/apa/red)

Titelbild: APA Picturedesk

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