Russland-Sanktionen
Die Industriellenvereinigung warnt davor den “Gashahn von heute auf morgen“ stark zu drosseln. Ökonom Oliver Picek sagt gegenüber ZackZack, die Folgen seien schwer absehbar.
Wien/Kiew/Moskau, 24. März 2022 | Die Industriellenvereinigung (IV) warnt davor, dass die Energiesicherheit in Österreich gefährdet ist. Anlass sind die Ankündigung von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, die Zahlungsmethode für Gaslieferungen an “unfreundliche Staaten” umstellen zu wollen, und der Rat der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag. Kurzfristig gebe es keine Alternative zum russischen Gas, das bleibe “die unbequeme Wahrheit”. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat die Forderungen nach einem Gas-Boykott in einem Interview mit der “Kleine Zeitung” als “realitätsfremd und falsch” bezeichnet.
Importstopp könnte Arbeitsplätze kosten
“Den Gashahn von heute auf morgen so stark zu drosseln, hätte katastrophale Auswirkungen auf unser alltägliches Leben, unsere Energieversorgung und unsere Wirtschaft insgesamt”, warnte IV-Chef Georg Knill am Donnerstag in einer Aussendung. Oliver Picek, Chef-Ökonom am Momentum Institut, sieht das genauso. Es wäre schwer absehbar, welche Folgen es für die Industrie und infolgedessen für die österreichischen Wirtschaft und Arbeitsmarkt hätte, von jetzt auf gleich auf russisches Gas zu verzichten, sagte er im Gespräch mit ZackZack.
Stiegen die Energiepreise in Europa langfristig, könnte das dazu führen, dass Industriebetriebe abwandern, weil sie sonst international nicht mehr konkurrenzfähig wären. Dadurch würden Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Österreich verloren gehen, so Picek. Zuletzt hatte die Papierindustrie Alarm geschlagen.
Es sei aber durchaus sinnvoll, einen Plan aufzustellen dafür, sich mittel- und langfristig weniger abhängig von russischem Gas zu machen, sagte der Ökonom. Die Energieversorgung hierzulande wird zu 19 Prozent durch Gas gedeckt, 80 Prozent davon kommen aus Russland. Hinter Ungarn und der Slowakei ist Österreich damit das europäische Land, das am drittstärksten von russischem Gas abhängig ist.
Was ist “verkraftbar”?
Allein schon die Diskussion schade dem Thema und treibe die Energiepreise in die Höhe, sagte Nehammer gegenüber der „Kleinen Zeitung“. Ja, sagt Ökonom Oliver Picek gegenüber ZackZack, Unsicherheit am Markt befeuere die Preise. Unternehmen mit variabler Preisabrechnung seien unmittelbar davon betroffen. Als Beispiel für einen betroffenen Kleinbetrieb nennt Picek das chinesische Restaurant „gegenüber von mir“. Das hätte Ende 2021 um die 2.000 Euro Energiekosten nachzahlen müssen. „Ich würde auch davon ausgehen, dass die meisten Industriebetriebe variable Preisgestaltung haben als Großverbraucher“, schätzt Picek gegenüber ZackZack ein.
Bisherige Berechnungen aus Deutschland darüber, ob ein Ausstieg aus russischem Gas machbar wäre, beschränkten sich auf die Anpassungsfähigkeit der Industrie, sagt Picek. „Es könnte sein, dass es glimpflicher ausgeht, aber die Sicherheit mit der manche deutschen Ökonomen behaupten, das wäre alles leicht machbar oder verkraftbar, da wäre ich mir nicht ganz so sicher“, so der Experte. Außerdem sei „verkraftbar“ immer eine recht subjektive Einschätzung. Es ginge um die Frage: „Was mutet man der Bevölkerung zu?“ Deren Beantwortung liege letztendlich bei der Politik, so Picek.
(pma/apa)
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