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Russlandsanktionen: Jet-Firma mit Verbindung zu Ex-SPÖ-Minister angezeigt

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Russlandsanktionen: Jet-Firma mit Verbindung zu Ex-SPÖ-Minister angezeigt

Eigentlich dürfte mit Ende Februar kein Jet in russischem Eigentum von EU-Boden abheben, diesen überfliegen oder auch nur gewartet werden. ZackZack-Infos zufolge herrscht bei betroffenen Jets mit österreichischer Kennung aber reger Betrieb. Die Hintergründe:

Wien, 25. März 2022 | Helle Aufregung in der österreichischen Privatjetbranche. Aufgrund der EU-Sanktionen fürchten viele um ihr Geschäft. Die Branche wird zum Gutteil nämlich von russischen Eigentümern und Leasingnehmern dominiert. Viele Verträge mit Russen werden gekündigt, wie Brancheninsider erzählen. Jetzt gibt es eine brisante Anzeige, die ZackZack vorliegt.

Grundsätzlich dürfen Jets, die russischen Unternehmen oder Personen zugerechnet werden, faktisch nicht einmal angefasst werden. Der EU-Flugraum darf nicht überflogen werden, die betroffenen Maschinen dürfen nicht in der EU starten oder landen. Und sie dürfen in der EU nicht gewartet, repariert oder modifiziert werden. Dennoch herrscht seit Inkrafttreten der Sanktionen Ende Februar reger Betrieb.

Sachverhaltsdarstellung gegen Wiener Betreiberfirma

Von Interesse für die Behörden könnte vor allem ein Flug sein. Eine Sachverhaltsdarstellung behauptet: „International Jet Management betreibt das Flugzeug Bombardier Challenger 350, OE-HNL. Wirtschaftlicher Eigentümer des Flugzeugs ist Wladimir Lissin“. Lissin, dem der Jet laut Sachverhaltsdarstellung zugerechnet wird, ist ein 26 Milliarden Dollar schwerer Oligarch. Er ist CEO und Mehrheitseigentümer des Stahlproduzenten Novolipetsk Steel. Obwohl Lissin als Putin-nah gilt, hat er sich mit Beginn des Krieges vom russischen Präsidenten distanziert.

Über eine verschachtelte Konstruktion soll Ex-Finanzminister Andreas Staribacher (SPÖ) laut der Sachverhaltsdarstellung mit der Betreiberfirma des Jets, International Jet Management (IJM), treuhänderisch verbunden sein. Ein Blick ins Firmenbuch zeigt: Staribacher ist offenbar Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der Centurion Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH. Diese wiederum hält 100% an der TreuTrust, die 100% an der IJM Holding hält. Die IJM Holding hält schließlich 100% an der IJM, bei der die Maschine OE-HNL betrieben wird. Der Ex-Minister ist in der Branche eine bekannte Größe: er war Vize-Aufsichtsrat bei der Flughafen Wien AG und ist selbst Pilot.

Staribacher und die Treuhandkonstruktion der IJM. Grafik: ZackZack/te, Quelle: Firmenbuch.

In der Sachverhaltsdarstellung heißt es weiter: „Am 02. März 2022, nach Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2022/334 des Rates vom 28. Februar, führte International Jet Management GmbH mit dem Flugzeug OE-HNL einen Flug von Genf nach Dubai durch. Dabei wurden die EU-Mitgliedstaaten Frankreich, Italien und Griechenland überflogen.“ Auf Anfrage bestätigte die Staatsanwaltschaft Wien den Eingang der Sachverhaltsdarstellung. Der von der Trackingseite „Adsbexchange“ dokumentierte EU-Überflug der mutmaßlichen Lissin-Maschine ist bemerkenswert. Was sagt Staribacher zu den Vorwürfen? Als Wirtschaftstreuhänder sei er zu Verschwiegenheit der ihm anvertrauten Angelegenheiten verpflichtet. Es sei hierbei „unbeachtlich, ob es sich um Umstände handelt, die bereits anderen Personen zugänglich sind oder nicht.“ Über Details betreffend der „Vielzahl an Luftfahrtklienten“ könne man sich nicht äußern.

Die IJM selbst wehrt sich gegen Vorwürfe und teilt dazu mit, „dass sie sich an alle von der EU erlassenen Sanktionen hält. Über einzelne Flugzeuge bzw. deren Flüge können wir Ihnen aus datenschutzrechtlichen Gründen leider keine Auskunft geben“. Ob Lissin der wahre wirtschaftliche Eigentümer der Maschine ist, wie es die Sachverhaltsdarstellung behauptet, wird weder bestätigt noch dementiert.

Brancheninsider sagen, dass Jets zum Teil via Leerflüge ausgeflogen werden. Die restriktiven Maßnahmen greifen dem Sanktionsexperten Julius Seidenader vom Wiener „Ponto Think Tank“ zufolge ohnehin erst ab Mehrheitsverhältnissen von 50 Prozent. Heißt: wer als Russe über Briefkastenfirmen, nahe Verwandte oder andere Konstruktionen die Mehrheitsregel umgeht, entkommt den Sanktionen. Potenziell mögliche Ausnahmen sind „ausschließlich Notfälle und Flüge mit ausdrücklicher Genehmigung des Klimaschutzministeriums (BMK)“, so ein Sprecher des BMK.

Dubai als Dauerparkzone für Privatjets

In der Sachverhaltsdarstellung wird auch behauptet, dass das Flugzeug offenbar „weiterhin regelmäßig von International Jet Management GmbH“ in Dubai gewartet werde (was IJM nicht bestätigen wollte). Wartungen und Inspektionen sind eigentlich Sanktionsverstöße – zumindest auf dem Territorium der EU. Finden derartige Tätigkeiten außerhalb Europas statt, kann man dem Sanktionsregime elegant entkommen. Grund: Die Sanktionen der EU haben keine Drittwirkung. So ist Dubai laut der „New York Times“ nicht nur Hafen für gestrandete Oligarchen, sondern auch für deren Vermögenswerte. Anders als die Cayman Islands, die Schweiz oder Monaco sei Dubai nicht bereit, bei den Sanktionsmaßnahmen mit dem Westen zu kooperieren, heißt es im NYT-Bericht.

Delikate Flüge können auf einschlägigen Trackingwebsites zurückverfolgt werden. Eine Maschine mit Homebase in Österreich flog beispielsweise am 2. März von Tel Aviv nach Moskau und dann über einen Umweg in die Emirate. Es handelt sich um den Privatjet mit der Kennung OE-IMI. Der wurde zumindest in der Vergangenheit Siegfried Wolf und später Oleg Deripaska zugerechnet. Betrieben wird er von der Wiener Jetfirma Avcon Jet. Im Jahr 2013 schrieb der „Kurier“, das Flugzeug stehe „im Eigentum der Orion Ltd. mit Sitz auf Bermuda, eine Gesellschaft aus dem Imperium des russischen Oligarchen Deripaska“. Ein Sprecher Wolfs wollte sich nicht zu den Eigentümerverhältnissen äußern.

Ein Verstoß gegen die EU-Sanktionen ist der Flug wohl nicht, allerdings hat die Russische Föderation Gegensanktionen verhängt. Wie der Jet mit der österreichischen Kennung nach Russland (und wieder raus) gelangen konnte, ist nicht überliefert. Die Betreiberfirma selbst lässt mitteilen: „Die Avcon Jet AG hält sich ausnahmslos an alle EU-Sanktionen. Wir sind sowohl mit dem Bundesministerium für Europäische und internationale Angelegenheiten als auch mit der Europäischen Kommission diesbezüglich in Kontakt.“ Genaue Informationen über Flugbewegungen bzw. Details zu einzelnen Jets könne man aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht geben.

Fakt ist: In der Branche herrscht Nervosität und Unklarheit. Ein Whistleblower bestätigt ZackZack: „Dubai ist ein Hub. Da steht jetzt ein Privatjet neben dem anderen“, so der Insider. Die Frage sei auch, wer das zahlt. Viele Russen hätten über Bankenfinanzierung oder andere Wege Jets bei österreichischen Betreibern geleast. „Einige gehen gerade weg wie warme Semmeln, weil viele Russen aussteigen“, sagt der Whistleblower zu ZackZack. Geschäfte könnten ganz normal abgewickelt werden, solange nicht direkt sanktionierte Personen betroffen seien. Viele russische Kunden würden allerdings abwarten und beteuern: „Ich habe mit dem Krieg oder Putin nichts zu tun.“ Weltweit, so schätzt man in der Flugbranche, seien etwa 400 bis 500 Privatjets betroffen. Die Sanktionen bereiten einigen Jetfirmen Sorgen. Ein weiterer Insider beziffert das wie folgt: „Selbst, wenn das Flugzeug nicht fliegt, liegen etwaige Fixkosten bei teilweise rund 2 Mio. im Jahr.“

Behördendschungel bei Umsetzung der Sanktionen

Österreich gilt als eines der Länder, das die Maßnahmen eher lasch umsetzt. Innerhalb der EU ist von einem Fleckerlteppich nach dem Motto „Vereint in Diversität“ die Rede, wie es Sanktionsexperte Francesco Giumelli in einem Papier beschreibt. In Österreich herrscht ein regelrechter Behördendschungel. So ist die Zivilluftfahrtgesellschaft Austro Control lediglich für die „Notice to Airmen“ (NOTAM), also die Bekanntmachung der Sanktionen, zuständig. Für die „Einhaltung sanktionsrechtlicher Maßnahmen im Bereich der Kredit-, Finanz- und Zahlungsinstitute“ gibt es die Nationalbank (OeNB), wie es aus der dortigen Presseabteilung heißt.

Bei hohen Summen könne es empfindliche Strafen geben, sagt die OeNB: „Im Fall der Nichteinhaltung der Sanktionsbestimmung sieht das Sanktionengesetz 2010 für einen 100.000 EUR übersteigenden Schadensbetrag eine gerichtliche Strafbarkeit vor, welche von den jeweils zuständigen Strafgerichten zu verhängen ist (…) beziehungsweise für einen Betrag darunter eine Verwaltungsstrafe, welche von den jeweils zuständigen Verwaltungsbehörden zu verhängen ist.“ Etwaige Flüge und Wartungsarbeiten fallen demnach eher unter Verwaltungsstrafen, während beim Verkauf eines Fliegers, der einer sanktionierten Person zuzurechnen ist, sogar eine Freiheitsstrafe droht. Das Wirtschaftsministerium verweist zudem auf das Außenwirtschaftsgesetz.

Damit aber nicht genug. Eigentlich überwacht das Verkehrsministerium Luftraum und Flugverkehr. Wenn es jedoch um die Kontrolle der entsprechenden Luftraumsanktionen geht, ist wiederum die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) zuständig. Die sagt auf Nachfrage: „Beim Verdacht eines Sanktionsverstoßes gilt das Offizialprinzip, das bedeutet, dass das BMI (hier konkret die DSN) tätig wird und entsprechende Ermittlungen durchführt.“ Bei solchen Ermittlungen werde auf behördeninterne Datenbanken, Amtshilfe bei österreichischen Behörden und Auskünfte gemäß § 8 Abs. 2 SankG zurückgegriffen, heißt es weiter. Wenn sich Hinweise mit Auslandsbezug ergäben, werde mit ausländischen Sicherheitsbehörden „im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen kooperiert und zusammengearbeitet“.

Im Fall Dubai ist das wohl schwierig. In der Branche heißt es: „Lieber Flieger stehen lassen als Strafe zahlen.“ Ein Spiel auf Zeit, je länger die Sanktionen andauern. Für Betreiber mit russischen Kunden ein existenzielles.

(wb)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Ben Weiser

    Ist Investigativreporter und leitet die Redaktion. Recherche-Leitsatz: „Follow the money“. @BenWeiser4

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