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Amnesty: »Liste der Menschenrechtsverfehlungen in Österreich lang«

Amnesty: »Liste der Menschenrechtsverfehlungen in Österreich lang«

Laut Bericht von Amnesty International verstößt Österreich in vielen Punkten gegen Menschenrechte, darunter mangelnde Ermittlungen gegen Polizeigewalt. Laut Bericht auch in Bedrängnis: die Pressefreiheit.

Wien, 29. März 2022 | Amnesty International beklagt eine Vielzahl von Verstößen gegen die Menschenrechte auch in Österreich. Die NGO veröffentlichte am Dienstag ihren International Report 2021/22 zur Lage der Menschenrechte. Der Jahresbericht 2021/22 von Amnesty International umfasst 154 Länder, darunter auch Österreich. Die NGO kritisiert Österreich in mehreren Punkten, darunter unzureichende Sozialleistungen, mangelhafte Ermittlungen gegen Polizeigewalt, ungerechtfertigte Abschiebungen und Pushbacks von Asylsuchenden sowie mangelnden Schutz von Whistleblowern.

Versammlungs- und Pressefreiheit eingeschränkt

Außerdem kritisiert Amnesty International “unverhältnismäßige Einschränkungen von friedlichen Versammlungen.” Basierend auf Rechtsgrundlagen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wurden einige Versammlungen verboten. In manchen Fällen wurde gerichtlich nachträglich entschieden, dass die Verbote eine unverhältnismäßige Einschränkung des Rechts auf friedliche Versammlung darstellten.

Besorgt zeigte sich Amnesty auch über die Entwicklung im Bereich der Pressefreiheit. Die strafrechtliche Verfolgung von Julian Hessenthaler, der eine Schlüsselrolle bei der Erstellung des sogenannten “Ibiza-Videos” gespielt hatte, wurde von ihnen als unverhältnismäßig bezeichnet. Amnesty fordert unter anderem, dass Österreich die EU-Whistleblower-Richtlinie umsetzt. Weil Österreich hier noch nicht gehandelt hat, hat die EU im Februar ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

Handlungsbedarf im Sozialbereich

Auch im Sozialbereich muss Österreich laut Amnesty handeln. Es fehlen laut Report etwa Maßnahmen zur Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Die NGO kritisiert das 2021 von sechs Bundesländern umgesetzte Sozialhilfe-Grundgesetz als nicht ausreichend, um ein Mindestmaß an finanzieller Unterstützung und damit ein menschenwürdiges Leben sicherzustellen. Außerdem fehlten Reformen für einen besseren Schutz der Rechte der sogenannten “24-Stunden-Betreuerinnen” in Österreich. “Der neue Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch hat das Thema Pflege und Armutsbekämpfung auf seine Agenda geschrieben – wir hoffen, dass dies nicht nur ein Antrittsversprechen bleibt”, mahnt Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, in Richtung Politik.

Außerdem seien Abschiebungen und Pushbacks von Asylsuchenden ungerechtfertigt durchgeführt worden. Zwischen Jänner und August 2021 seien etwa 64 afghanische Staatsangehörige nach Afghanistan abgeschoben worden, obwohl ihnen bei ihrer Rückkehr schwere Menschenrechtsverletzungen gedroht hätten. Die öffentlich vieldiskutierte Abschiebung der Schülerin Tina nach Georgien ist mittlerweile vom Bundesverwaltungsgericht als rechtswidrig beurteilt worden.

Amnesty kritisiert politische Untätigkeit

“Die Politik muss endlich erkennen, dass wir nicht die Insel der Seligen sind”, mahnt Schlack. Viele Probleme würden schon seit Jahren bestehen, es sei jedoch von Seiten der Politik versäumt worden, etwas daran zu ändern.

Amnesty International fordert außerdem wirksamere Untersuchungen von Polizeigewalt. Die von der Regierung im Jänner 2020 angekündigte unabhängige Ermittlungs- und Beschwerdestelle zur Untersuchung von Misshandlungsvorwürfen sei bis Ende 2021 noch nicht eingerichtet worden.

Das im Juli 2021 beschlossene “Anti-Terror Paket” wiederum bezeichnet Amnesty International als “menschenrechtlich höchst problematisch”. Zivilgesellschaftliche Organisationen sowie Expertinnen und Experten der Vereinten Nationen hätten Bedenken geäußert, dass der neue Paragraf über “religiös motivierte extremistische Verbindungen” zu einer Stigmatisierung von Muslimen führen würde.

(pma/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Pia Miller-Aichholz

    Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich

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