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Putin und Österreich: Volle Aufklärung – Kommentar

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Putin und Österreich: Volle Aufklärung – Kommentar

Kommentar

Der Streit über den Wahrheitsgehalt brisanter Vorwürfe gegen das Verteidigungsministerium zeigt auch: Österreich hat ein Putin-Problem und keiner will etwas damit zu tun haben. Zusammen mit internationalen Partnern durchleuchten wir jetzt Putins Netzwerk in Wien.

Benjamin Weiser

Wien, 29. März 2022 | Die Folgen des Krieges werden in Österreich langsam aber sicher spürbar. Geflüchtete harren an Bahnhöfen aus, temporäre Hotelaufenthalte verdrängen die Frage nach ordentlichen Unterkünften. Der Flüchtlingskoordinator taucht sicherheitshalber ab. Unterdessen floriert die Spionage, was auch jene trifft, die gegen den Krieg das Wort erheben – mitten in Wien, wie uns Betroffene berichten.

Einige Firmen stehen indes vor der Insolvenz, ihnen fliegt das Russlandgeschäft um die Ohren. Das betrifft neben sauberen Geschäften auch diejenigen zwielichtigen Buden, die dem Umfeld von Waldimir Putin zuzurechnen sind. Der möchte ohnehin, dass russische Geschäftsleute Flagge zeigen und in die taumelnde Moskauer Volkswirtschaft zurückkehren. Fest steht: Die Entwicklungen treffen Wien mit einer gewissen Härte. Und das nicht nur unfreiwillig.

„Financial Times“-Bericht zeigt Nervosität

Für Wirbel sorgt derzeit ein Bericht der „Financial Times“ (FT), in welchem schwere Vorwürfe eines EU-Diplomaten zitiert werden. Die Quelle behauptet, das österreichische Verteidigungsministerium sei quasi eine Art Abteilung des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Generalstabschef Robert Brieger reagierte in der ZiB 2 polemisch auf die Vorwürfe: „Also verzeihen Sie, ich halte das für schlechten Journalismus, das ist eine polemische Abwertung unserer Arbeit.“ Auch Kanzlersprecher Etienne Berchtold, der gewissermaßen auf dem Sprung ist, weil er bald Botschafter in den Emiraten werden soll, schoss gegen die FT – auf Twitter. Ausgerechnet er, könnte man sagen, war doch sein alter Chef Sebastian Kurz einer der Putin-freundlichsten Regierungschefs Europas. Bald kann Berchtold also in Dubai bestaunen, wie viele österreichische Privatjets in russischem Eigentum am Flughafen geparkt werden.

Die Nervosität zeigt nicht, dass der FT-Bericht stimmt. Es ist unmöglich, die Behauptung des Diplomaten zu verifizieren. Eine derart heikle Quelle nicht zu nennen, ist allerdings keine Schwäche, wenn man es denn mit dem Quellenschutz ernst nimmt. Niemand setzt seine Karriere oder sein Leben aufs Spiel, um ohne jeden Mehrwert in der Zeitung genannt zu werden. Vielmehr sollte man sich hierzulande damit beschäftigen, woher der unbestätigte Vorwurf rühren könnte.

Die Spitze des Eisbergs

Österreichische Ex-Politiker, die bei Putin teils mit fürstlichem Salär untergekommen sind, stellen nur die Spitze des Eisbergs dar. Die Umtriebe im BVT, Jan Marsaleks private Schnüffeldienste oder die einschlägigen Russland-Connections ehemaliger BMI-Kabinettsmitarbeiter sind hinreichend bekannt. Auf dem Spiel steht die Integrität der Republik, weil der polit-industrielle Komplex jahrelang mit Putin aufgesteppt hat. Bis zum Kniefall.

Damit das nicht mehr vorkommt, braucht es volle Aufklärung. ZackZack recherchiert derzeit in Kooperation mit internationalen Partnern, wie weit verzweigt das Putin-Netzwerk in Österreich und darüber hinaus ist. Das wahre Ausmaß ist nämlich noch weitgehend unbekannt. In den kommenden Wochen werden wir dazu Investigativ-Geschichten veröffentlichen. Mehr verraten kann ich Ihnen allerdings noch nicht, uns ist der Schutz unserer Quellen genauso wichtig wie der FT.

Klar ist: viele Russen haben mit Putin nichts zu tun. Sie fürchten neben gesellschaftlicher Ächtung um ihre wirtschaftliche Existenz. Doch was ist mit den Putin-Günstlingen und ihren Helfern? Es drängt sich der Verdacht auf, dass hierzulande teils bewusst weggeschaut wird. Ein beliebter Vorwand: Verschachtelte Firmenkonstruktionen, gekaufte EU-Staatsbürgerschaften oder andere Tricks erschweren den Zugriff auf entsprechende Vermögenswerte. Das stimmt nur bedingt. Manchmal müsste man einfach etwas genauer hinschauen. Wir jedenfalls werden das tun.

Wer uns unterstützen will, damit wir noch mehr für Aufklärung sorgen als bisher, kann das im ZackZack Club machen. ZackZack liest man gratis, denn wir möchten, dass sich so viele Menschen wie möglich informieren können. Für uns gibt es nur eine Möglichkeit, wirtschaftlich zu überleben: Clubmitgliedschaften und Spenden. Wir machen den kritischen Journalismus, du machst ihn möglich – anders geht es nicht.

Titelbild: APA Picturedesk

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