ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss:
Ex-Justizminister und Ex-Vizekanzler Wolfgang Brandstetter betonte vor dem ÖVP-U-Ausschuss, niemals politische Ambitionen gehabt zu haben. Er sei Wissenschaftler und als solcher Querein- und Queraussteiger gewesen und nie politisch beeinflusst worden.
Wien, 31. März 2022 | Wolfgang Brandstetter war gekommen, um zu reden. Er schöpfte gleich einmal die maximale Dauer seines Eingangsstatements aus – 20 Minuten. Der Strafrechtsexperte schickte seiner Befragung voraus, sich niemals mit dem Grund möglicher Selbstbelastung der Aussage entschlagen zu wollen. „Es gibt nichts, was mich belasten könnte“, so Brandstetter. Die erste Fragerunde des ÖVP-Korruptions-U-Ausschusses an ihn war aufgrund seiner ausführlichen Antworten erst nach etwa dreieinhalb Stunden vorbei.
Uniprofessor Brandstetter teilte den Abgeordneten des U-Ausschusses eingangs auch drei Lese-Hausaufgaben aus, mit der Bitte, sie beizeiten durchzulesen, darunter ein Aufsatz aus einem Magazin zum Thema Medien und Recht, in dem es um Persönlichkeitsrechte in Verbindung mit Chatveröffentlichungen geht. (Der Presserat entschied übrigens, die Pilnacek-Chats seien von demokratiepolitischer Bedeutung und eine Veröffentlichung daher in Ordnung.)
Niemals politischer Einfluss
„Sie werden keine einzige Personalentscheidung von mir finden, bei der politischer Einfluss meine Entscheidung für oder gegen einen Kandidaten verändert hätte“, sagte Brandstetter wiederholt. Die Vorwürfe gegen ihn träfen ihn tief, er habe sich stets bemüht, seine Ämter nach bestem Wissen und Gewissen auszuüben. Seine Regierungsfunktionen habe er nie politisch gesehen, es sei ihm um die Sache gegangen und er habe gewusst, dass er sie nur so lange halten würde, solange er das Vertrauen der beiden Koalitionspartner (damals SPÖ und ÖVP) habe.
Bei Postenbesetzungen habe er immer darauf geachtet, die bestgeeignete Person auszuwählen. Eva Marek sei seiner Ansicht nach für die Leitung der Oberstaatsanwaltschaft die Bestgeeignete gewesen. Vorschläge der Personalkommission seien immer wieder kritisch zu betrachten – sie hatte Ilse-Maria Vrabl-Sanda für den Posten erstgereiht –, er habe immer sachlich bewertet. Er würde wieder so entscheiden. Für die Generalprokuratur sei Marek nicht geeignet gewesen. Ihre persönliche Enttäuschung damals habe ihm leidgetan und deshalb habe er ein persönliches Gespräch angeboten. Deal hätte es keinen gegeben und er sei irritiert über ihre Formulierung gewesen, dass alle seine Leute versorgt seien. ZackZack hatte die betreffenden Chats zwischen Marek und Brandstetter öffentlich gemacht.
„Information floss umgekehrt“
Brandstetter ist selbst Gegenstand einiger Verfahren. „Von irgendeiner Seite wird man immer geprügelt“, sagt er im U-Ausschuss. Unter anderem ermittelt die WKStA gegen Wolfgang Brandstetter wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch rund um eine verratene Hausdurchsuchung (HD) bei Michael Tojner. Es gilt die Unschuldsvermutung. Brandstetter sagt, der Informationsfluss sei nicht von Pilnacek über ihn zu Tojner gegangen, sondern die HD durch einen Tageszeitungsartikel an die Öffentlichkeit gelangt – etwa zwei Wochen vor der HD. Er habe sich dann, besorgt über ein Leak, an die Behörden gewandt.
Wieso er nicht einmal zwei Stunden vor der HD an seinen Mandanten Michael Tojner geschrieben habe, er solle kooperieren „wenn die heute kommen“? Er habe damit gerechnet, dass die HD bald passieren würde, habe aber nicht das genaue Datum gekannt.
„An den Verfassungsgerichtshof zu gehen war ein Fehler“
Aufgrund der Ermittlungen schaute die WKStA auch in Brandstetters VfGH-Büro vorbei, mit einer Sicherstellungsanordnung. Weil er gemerkt hatte, dass die Vorwürfe gegen ihn nicht schnell ausgeräumt werden würden, habe er sich aus freien Stücken vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) zurückgezogen. Er sei zur Belastung für die Institution geworden. Dass nicht er selbst sein Handy der WKStA übergeben habe sondern jemand anderer habe damals gesundheitliche Gründe gehabt. Es sei nichts auf dem Handy „verändert“ worden, das habe dann auch ein Sachverständiger festgestellt.
Heute würde er nicht mehr so knapp nach seiner politischen Tätigkeit – etwa zwei Monate später – an den Verfassungsgerichtshof gehen. Er wäre generell dafür, Cooling-off-Phasen einzuführen. Er habe sich stets als parteilos gesehen, habe aber fehleingeschätzt, wie anders das in der Öffentlichkeit gesehen würde, wenn jemand, der zuerst auf ÖVP-Ticket in der Regierung war auf Vorschlag derselben Partei ohne Hearing an den VfGH wechsle. Das würde er heute nicht mehr so machen.
(pma)
Titelbild: APA Picturedesk