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Wegen Kinderbuch-Lesung: Rechtsextreme mauern Bücherei zu

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Wegen Kinderbuch-Lesung: Rechtsextreme mauern Bücherei zu

Wegen Kinderbuch-Lesung

Weil die bekannte Wiener Dragqueen Candy Licious anlässlich des Pride-Monats am Freitag in einer Wiener Bücherei aus Kinderbüchern vorlesen will, zog eine Gruppe Rechtsextremer vor dem Eingang eine Mauer hoch. Die Störaktion war angekündigt und soll nicht die letzte gewesen sein.

Wien, 03. Juni 2022 | In den frühen Freitagmorgenstunden wurde vor der städtischen Bücherei in der Gumpendorfer Straße eine rot-weiß-rote Mauer mit der Aufschrift “#nopridemonth” hochgezogen. Eine Gruppe Rechtsextremer bekannte sich zu der Aktion. Neben der zwei Meter hohen Mauer wurden auch Flyer hinterlassen.

Rechtsextreme stören sich an Kinderbuch-Vorlesung

Der Grund, aus welchem mehrere Vermummte in der Nacht eine Mauer vor einer Bücherei bauten: eine Kinderbuch-Vorlesung der bekannten Wiener Dragqueen Bernhard Ledinski alias Candy Licious am Freitagnachmittag. Die Mauer wurde von einer Abbruchfirma inzwischen wieder beseitigt, die Lesung findet wie geplant um 15 Uhr statt. Die Polizei ließ via Twitter ausrichten, dass das Landesamt für Verfassungsschutz Ermittlungen wegen Verhetzung eingeleitet habe.

Die vermummten Rechtsextremen – sie posierten auf Bildern, die in einschlägigen Plattformen und Telegram-Gruppen geteilt werden, neben der Mauer – kündigten die Aktion schon im Vorfeld an.  Auf den Flugblättern, die vor Ort zu finden waren, wurde gegen die “staatsfinanzierte Globohomoideologie” gewettert. Da die Lesung im Rahmen des Pride-Monats aus einem Kinderbuch erfolgt, wurde auch “Frühsexualisierung” beklagt.

Stadtrat Wiederkehr “fassungslos”

Wiens Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) betonte in einer Mitteilung, dass die Lesung nach Absprache wie vorgesehen Freitagnachmittag um 15 Uhr durchgeführt wird. “Diese Tat ist bestürzend, macht fassungslos und ist zutiefst zu verurteilen. Es ist unsere Aufgabe für die Vielfalt in unserer weltoffenen Stadt tagtäglich einzustehen. Volle Solidarität mit der gesamten LGBTIQ-Community!”

Katharina Kacerovsky-Strobl, die Organisatorin der Vienna Pride, dankte den Behörden für die Zusammenarbeit: “Dank ihrer professionellen Einschätzung und schnellen Hilfe sowie dank der Bibliothek, die die Mauer gleich wieder entfernen ließ, kann die Lesung wie geplant und ohne Sorgen stattfinden.”

“Widerlicher Hass einer kleinen Minderheit”

“Es ist völlig unverständlich, dass das passieren konnte. Sowohl die Polizei als auch der Verfassungsschutz waren seit Wochen informiert, dass reaktionäre und rechtsextreme Gruppen in großem Stil gegen die Pride mobilisieren”, zeigte sich auch die Sprecherin für LGBTIQ und Menschenrechte der Grünen, Ewa Ernst-Dziedic, verärgert.

Schockiert war auch SPÖ-Gleichbehandlungs-Sprecher Mario Lindner. “Wir warnen seit Jahren, dass die Zahl von Angriffen auf die LGBTIQ-Community steigt. Dieser neue Vorfall zeigt einmal mehr, dass sich eine kleine Minderheit mit widerlichem Hass gegen die Vielfalt in unserem Land richtet.”

Auch FPÖ-Kritik, aber an Lesung

Von der FPÖ kam via Aussendung ebenfalls Kritik – allerdings an der Lesung. Die Wortmeldung der Freiheitlichen war von den fragwürdigen Flyern der Rechtsextremen kaum auseinanderzuhalten. Die “Sexualisierungspropaganda” für kleine Kinder sei “klar abzulehnen”, befand der Mariahilfer Bezirksparteiobmann Leo Kohlbauer. Es sei nicht zu akzeptieren, dass Kinder mit öffentlich finanzierter “Globohomo-Ideologie” indoktriniert würden – derselbe Ausdruck, den auch die Rechtsextremen verwendeten.

Es war nicht die erste Störaktion der Gruppe in diesem Jahr. Erst vor Kurzem zündelten Rechtsextreme am Dach des Linzer Bahnhofs, ein paar Tage später belagerten selbige das Ute-Bock-Haus in Wien. Anlässlich des Pride-Monats sind in nächster Zeit noch weitere Aktionen angekündigt.

(mst)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Markus Steurer

    Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.

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