Westbalkanstaaten uneinig
In Brüssel kommt der EU-Gipfel zusammen, um die Ukraine und Moldau zu Beitrittskandidaten zu machen. Im Zuge dessen wird auch der Fortschritt der Westbalkan-Staaten im Prozedere zum EU-Beitritt evaluiert.
Wien/Brüssel 23. Juni 2022 | Nach nur wenigen Wochen hat die Europäische Union die Entscheidung getroffen, der Ukraine sowie Moldau den EU-Kandidatenstatus zu verleihen. Bereits vergangene Woche hatte die EU-Kommission eine Empfehlung beider Länder als Beitrittskandidaten ausgesprochen. Aus diesem Grund kamen am heutigen Donnerstag sämtliche EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel zusammen.
Auf dem Programm stand auch der schleppende Fortschritt von jenen sechs Westbalkanstaaten, die den Kandidatenstatus bereits seit Jahren tragen, aber seither keinen Schritt näher an die EU heran gerückt sind. Bei den betroffenen Ländern handelt es sich um Albanien, Serbien, Nordmazedonien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina und Kosovo. Letzteres wird von fünf EU-Mitgliedsstaaten gar nicht anerkannt.
Kandidat – und weiter?
Dass der Kandidatenstatus nicht viel aussagt, zeigen ebenjene Westbalkanstaaten, die sich seit mehreren Jahren in diesem langwierigen Prozess befinden. Albanien hatte 2009 einen Antrag für den Kandidatenstatus gestellt und ihn 2014 erhalten. Die EU-Kommission gab daraufhin grünes Licht für die Aufnahme von Verhandlungen mit 2018, sofern die nötigen Reformen umgesetzt werden. Dazu ist es jedoch bis dato nicht gekommen, denn der Beginn der Verhandlungen für Albanien ist an Nordmazedonien gekoppelt.
Die Republik hat den Kandidatenstatus seit 2005 und damit am längsten inne. Zuletzt wurde die Aufnahme der Verhandlungen zum Beitritt Nordmazedoniens von Bulgarien blockiert. Sofia forderte von Skopje bulgarische Wurzeln in seiner Sprache sowie die Bevölkerung und Geschichte anzuerkennen. Dabei hat Nordmazedonien bereits Kompromissbereitschaft bewiesen, als der Staat 2019 seinen Namen aufgrund eines Konflikts mit Griechenland über eine dortige gleichnamige Region von Mazedonien umänderte. „Es ist eine Schande, dass ein NATO-Land zwei andere NATO-Länder als Geisel hält“, so der albanische Ministerpräsident Edi Rama in Brüssel zu der Blockade Bulgariens.
Problemfall Serbien
Serbien hat sich ebenfalls für den Status 2009 beworben und ihn bereits 2012 erhalten. Seit 2014 laufen die Verhandlungen, allerdings wurden bisher nur zwei von 35 Verhandlungskapiteln abgeschlossen. Das schwierige Verhältnis Serbiens zum Kosovo und die Nähe zu Russland werden jedoch mit Skepsis gesehen. Serbien hat beispielsweise die EU-Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs nicht mitgetragen.
Die kosovarische Präsidentin Vjosa Osmani-Sadriu forderte in dem Zusammenhang, dass die Unterstützung der EU-Sanktionen gegen Russland zur Bedingung für eine weitere Annäherung gemacht wird. Auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hatte die Regierung in Belgrad wiederholt ermahnt, dass von EU-Beitrittskandidaten erwartet werde, auch die EU-Außenpolitik zu teilen. Auch dabei kam es zu keinem Konsens nach dem heutigen Spitzentreffen.
Nach der fast vierstündigen Sitzung folgte keine Pressekonferenz mit EU-Ratspräsident Charles Michel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen wie ursprünglich angekündigt. Sie wurde aus Zeitgründen abgesagt. Im Anschluss begann der eigentliche EU-Gipfel, bei dem die Beitrittskandidaturen der Ukraine und Moldau besprochen werden.
(nb)
Titelbild: APA Picturedesk