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Men’s World – Skylla & Charybdis

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Men’s World – Skylla & Charybdis

Skylla & Charybdis

Julya Rabinowich über den letztklassigen Umgang von Polizei und Politik mit der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr, die von Coronaleugnern bedroht wird. 

Julya Rabinowich

Wien, 02. Juli 2022 | Die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr ist zu einem Symbol geworden. Einerseits für die Gewaltbereitschaft und Grenzüberschreitung radikalisierter Impfgegner, die sie seit langer Zeit beharrlich verfolgten und bedrohten. Andererseits für das Versagen des Staates, seiner Bürgerin entsprechend zu helfen, ja sie überhaupt ernst zu nehmen.

Andere Menschen hatten es glücklicherweise nicht so unendlich schwer, an Personenschutz zu kommen – aber die waren gleicher als gleich und Politiker und ehemalige Politiker gewesen. Hier ist eine Morddrohung offenbar durchaus ernst zu nehmen – im Falle der verfolgten, mit detaillierten und grausamen Schilderungen angekündigter Gewalttaten überhäuften Ärztin, deren Vergehen es war, für ihre Patienten da sein zu wollen und lege artis zu handeln, aber keineswegs.

Nicht nur wurde erklärt, die Täter seien eben leider, leider nicht habhaft zu bekommen, was eine deutsche Hackerin nur ein müdes Lächeln kostete. In einem Tag war sie der Sache und damit den Tätern näher als die Polizei in der gesamten Zeit. Nicht nur wurden die Drohungen als nicht gefährlich bezeichnet. Das ist in Hinsicht auf bereits erfolgte andere Gewalttaten im Zusammenhang mit Maßnahmen und ihren Gegnern eine haarsträubende Chuzpe.

Nein, damit nicht genug. Das Opfer wurde in einer selten frechen Opfertäterumkehr auch noch zur Mitverantwortlichen gemacht und das öffentlich. Und von wem? Von ihrem angeblichen Freund und Helfer. Wer solche Freunde hat wie den interviewfreudigen Polizeisprecher, braucht eigentlich keine Feinde mehr. Die bedauernswerte, tapfere Dr. Kellermayr hatte aber leider trotzdem beides.

Im Jahre 2022 schien es für einen Polizeisprecher angemessen, in einem Interview zu behaupten, die Ärztin sei schon selbst mitverantwortlich dafür, was geschah, immerhin hätte sie einen „zu kurzen Rock getragen“, also sei zu mitteilsam ob ihrer Notlage gewesen.

Es ging aber noch mehrere Eskalationsstufen weiter. Entgegen der detaillierten Beschreibungen der Ärztin, deren Hilferufe im Luftleeren jenes  österreichischen Laissez-faire ungehört verhallte, das den niederen Tieren vorbehalten ist – wie es sich dem Pöbel gegenüber gehört – , wies man zurück, man hätte nichts unternommen.

Hier gehen die Beschreibungen dramatisch auseinander, denn von Personenschutz kann Dr. Kellermayr offenbar immer noch nur träumen. Der von ihr auf eigene Kosten engagierte Sicherheitsdienst, der Aufwand, den sie für sich, Mitarbeiterinnen und Patienten betreiben musste,  trieb sie in den Konkurs. Die Polizei, die Politik guckten zu.

Die Polizei war zu emsig damit beschäftigt, freundlich die Anti-Corona-Maßnahmen-Demos zu begleiten, der derzeit amtierende Gesundheitsminister befand, jetzt sei die richtige Zeit gekommen, um die Gräben in der Gesellschaft zuzuschütten. Opfer und Täter, Gewalt und Bedrohung, Schuld und Sühne störten vermutlich die aufblühende Harmonie, in der der Löwe neben dem Lamm liegt, bis er es sich halt anders überlegt. Das hätte man aber genauso wenig vorhersehen können wie die nächste Welle. So etwas kommt völlig aus dem Nichts!

Das Zuschütten der Gräben ist allerdings nur die eine Seite. Die andere Seite zeigt ein erschreckend misogynes Bild: eine Frau, die widerspricht, eine Frau, die auf ihren Rechten besteht, die nicht klein beigibt- die muss erniedrigt, verunsichert, klein gemacht werden. Soll sich still und leise quälen lassen, bitte. Ohne groß aufzufallen.

Der oberösterreichische Präsident der Ärztekammer hält fest, es sei nicht gut, wenn man sich „bei jedem Thema auf Twitter exzessiv zu Wort melden muss“ und legte einen stillen Rückzug nahe. Vermutlich würde er dasselbe auch zu einem Ertrinkenden sagen, wenn dieser Wellen schlägt.

Nicht umsonst twitterte die Hackerin, die an einem Tag mehr herausfand als die Polizei seit vielen Monaten, eine solche Vorgangsweise wäre ihr in Deutschland noch nie untergekommen. Das sind die neuen Zeiten, die Kurz anvisiert hat, die von der ÖVP weiter angestrebt werden – und die Grün so liebevoll stützt.

Titelbild: ZackZack

Autor

  • Stefanie Marek

    Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.

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