»Equal Pension Day«:
Mit heutigem Tag haben Männer so viel Pensionsauszahlungen erhalten, wie Frauen übers gesamte Jahr erhalten werden. Die Pensionslücke von 41,06 Prozent ist laut Experten die Summe aller Diskriminierungen, denen Frauen im Erwerbsleben begegnen.
Wien, 03. August 2022 | Heuer fällt der sogenannte „Equal Pension Day“ auf den 3. August. Der Tag markiert jenen Zeitpunkt, an dem Männer rein rechnerisch in einem Jahr so viel Pension bekommen haben, wie Frauen bis zum Jahresende erhalten werden. 2022 bekommen Frauen 41,06 Prozent beziehungsweise 150 Tage weniger Pension. Während Männer durchschnittlich 2.103 Euro brutto Pension monatlich erhalten, sind es bei Frauen 1.239 Euro brutto. Das hat die Stadt Wien im Auftrag des Österreichischen Städtebundes auf Basis der Pensionsversicherungs-Jahresstatistik 2021 errechnet.
Die Abteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik (MA 23) und des Frauenservice (MA 57) der Stadt Wien errechnet für den Städtebund seit acht Jahren die Pensionslücke. Gegenüber 2021 bedeutet der diesjährige Vergleichstag immerhin eine leichte Verbesserung, denn damals fiel er auf den 1. August.
Dreifach so groß wie Pay-Gap
Mit 41,06 Prozent ist die Pensionslücke etwa dreifach so groß wie die für dieses Jahr errechnete Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen. Diese liegt 2022 bei 12,7 Prozent – wobei dieser vermeintlich verbesserte Wert gegenüber den Vorjahren eine statistische Verzerrung durch die Corona-Pandemie ist.
Dass die Pensionslücke ein Vielfaches der Einkommenslücke beträgt, ist laut AK-Ökonomin Katharina Mader keine Überraschung, wie sie gegenüber ZackZack feststellte. Schließlich sei diese Pensionslücke die Summe aller Benachteiligungen und Diskriminierungen, die Frauen im Erwerbsleben begegnen, darunter auch beim Lohn.
Ungleichheit im ländlichen Bereich besonders groß
Wie auch beim Pay-Gap gibt es beim Pension-Gap ein starkes Ost-West-Gefälle: Aus Basis der Erhebungen der Statistik Austria hat das Momentum Institut errechnet, dass die Pensionslücke in Wien bei 25,5 Prozent liegt, während Vorarlberg mit 46,2 Prozent das Schlusslicht bildet.
Dass die Ungerechtigkeit im ländlichen Bereich besonders groß ist, ist laut Mader unter anderem auf das dürftige Betreuungsangebot für Kinder zurückzuführen. Laut Aufzeichnungen von Eurostat werden in Österreich 55,3 Prozent der Kinder unter drei Jahren ausschließlich von ihren Eltern betreut. Der EU-Schnitt liegt bei 47 Prozent. Weil nach wie vor typischerweise Frauen die Kinderbetreuung übernehmen, arbeiten sie nach der Geburt ihrer Kinder, wenn überhaupt, vermehrt in Teilzeit weiter – wodurch sich ihr späterer Pensionsanspruch über die Jahre gegenüber Vollzeitbeschäftigten stark verringert.
Arbeiterkammer: „Keine großen frauenpolitischen Sprünge“
Insgesamt bewertet Mader die Frauenpolitik in Österreich der vergangenen Jahre nicht gut. Diese scheine der Frauen-Ministerin kein oder kein großes Anliegen zu sein, so die Ökonomin gegenüber ZackZack. Das im Regierungsprogramm festgeschriebene Pensionssplitting gleiche einem „Pflaster, das auf eine stark blutende Wunde geklebt“ würde. Es sei eine Maßnahme, die am Schluss einer Erwerbslaufbahn stünde, die mit vielen politischen Baustellen gepflastert sei.
Es fehle etwa ein Lohn-Transparenz-Gesetz mit Sanktionsmöglichkeiten, ein Rechtsanspruch auf flächendeckende Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr des Nachwuchses – wie Chats offenlegten hatte in punkto Kinderbetreuung jüngst auch Sebastian Kurz seine Finger im Spiel –, eine gerechtere Verteilung der Angehörigen-Pflege und etwa geänderte Karenzregelungen.
Eine Studie von L&R Sozialforschung, die im Jänner 2022 präsentiert worden ist, hat gezeigt, dass nach wie vor Mütter den Großteil der Kindererziehung und -betreuung übernehmen. Bei acht von zehn Paaren gehen Männer demnach weder in Karenz, noch beziehen sie Kinderbetreuungsgeld. Laut Studie ist für die Entscheidung, wer in Karenz geht, das Einkommen der Frau ein wichtiger Faktor – je höher das Gehalt der Frau vor der Geburt, desto eher geht auch der Mann in Karenz. Damit ergibt sich ein gewisser Teufelskreis.
Städtebund: Pensionssystem ignoriert unbezahlte Arbeit
Laut Österreichischem Städtebund ist das derzeitige Pensionssystem auf „Vollbeschäftigung ohne Erwerbsunterbrechungen“ ausgelegt. „Frauen leisten aber immer noch den größten Teil der unbezahlten Arbeit. All das führt dazu, dass Frauen armutsgefährdet sind“, sagte Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger anlässlich des Equal-Pension-Day. AK-Ökonomin Mader befürchtet, dass die Armut unter Frauen durch die derzeitige Teuerung zunehmen könnte.
Trotz guter Ausbildung ungewisse Zukunft
Wie sich die Pensionslücke in den kommenden Jahren entwickelt, ist laut Mader schwer zu sagen. Zwar sei die Zahl der Frauen, die erbwerbstätig sind, seit den 1990er-Jahren stark gestiegen, aber der größte Zuwachs sei in Teilzeit-Jobs zu verzeichnen. Und das, obwohl Frauen heute so gut ausgebildet sind wie nie zuvor. Das würde an sich begünstigen, dass sie in besser bezahlte Jobs ein- und in höhere Positionen aufsteigen. „Aber wenn die Strukturen weiter so sind, wie sie sind, bin ich mir nicht sicher, ob es wirklich positive Entwicklungen gibt“, so die Ökonomin.
(pma)
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