Der Krieg tobt weiter, doch entgegen mancher Erwartungen macht die in Russland stark vertretene Raiffeisen-Bank Rekordgewinne. Seit 2011 hat die russische Tochtergesellschaft keine derart hohen Gewinne verzeichnet.
Wien/Moskau, 03. August 2022 | Es ist und bleibt ein Politikum: Das Russland-Geschäft der Raiffeisen-Bank. Seit etwa 30 Jahren ist das österreichische Geldhaus in Moskau, die Region Osteuropa (bestehend aus Russland, Belarus, Ukraine) ist traditionell wichtig.
Mit Beginn des russischen Krieges in der Ukraine dachten viele, die Raiffeisen stünde vor schwierigen Zeiten. In der Ukraine geht derzeit tatsächlich recht wenig, wenn man sich den aktuellen Geschäftsbericht ansieht. In Russland wiederum steigerte man die Gewinne deutlich.
Satte Gewinne trotz Krieg
Offiziell erklärt werden die guten Zahlen mit dem Abstoßen der bulgarischen Tochtergesellschaft Ende 2021, was 453 Millionen Euro einbrachte und sich im Halbjahres-Konzerngewinn von 1,7 Milliarden niederschlägt. Im zweiten Quartal 2022 kommt man auf ein Gesamt-Konzernergebnis von 1,27 Milliarden Euro. Doch das Ergebnis einer anderen Tochtergesellschaft dürfte weit mehr von Interesse sein: Allein im zweiten Quartal verbuchte die Russland-Tochter satte 534 Millionen Euro Gewinn. Das ist jetzt schon mehr als im gesamten Vorjahr (474 Millionen Euro).
Sowohl Netto-Zinsertrag (um 77,3 Prozent auf 394 Millionen Euro) als auch Netto-Provision (um 68,6 Prozent auf 420 Millionen Euro) stiegen bei der russischen Niederlassung im selben Zeitraum deutlich an. Laut der russischen Ausgabe des US-Magazins „Forbes“ sind die Zahlen etwa auf die Stärkung des Rubels, die Zins-Situation sowie auf restriktiven Maßnahmen der Währungskontrolle seit dem Frühjahr zurückzuführen. Die Erwartungen für das Kreditvolumen wurden indes nach unten geschraubt.
Von Rückzug keine Rede mehr
Im März hatte die Raiffeisen noch erwogen, sich aus dem Russland-Geschäft zurückzuziehen. Ein paar Monate später ist die Sachlage eine andere. Die Bank gibt sich eher technisch und kommt zum Schluss, dass man mindestens noch weitere sechs Monate in Moskau arbeiten könne. Die Situation sei aber „sehr komplex“, die Rahmenbedingungen änderten sich ständig, so RBI-Chef Johann Strobl. Man erwäge „strategische Optionen“.
Wie das deutsche „Handelsblatt“ Anfang Juli berichtete, weiten einige europäische Banken ihre Russland-Sparten wieder aus und sind auf der Suche nach neuem Personal. Grund ist, dass der Kreml die Banken nicht ziehen lassen will. Geschadet hat das der Raiffeisen offenkundig nicht. Die drei größten ausländischen Banken auf dem russischen Markt sind neben der Raiffeisen die US-amerikanische Citibank sowie die italienische Unicredit.
Für Raiffeisen liegt Erklärung in Bulgarien
Auf eine ZackZack-Anfrage betont eine RBI-Sprecherin vor allem die positiven Auswirkungen des Verkaufs der Bulgarien-Tochter und skizziert die schwierigen Rahmenbedingungen seit dem Krieg. Man habe das Kredit-Portfolio im zweiten Quartal um 22 Prozent nach unten geschraubt, die Zahl der Kunden in Russland habe sich um ganze 800.000 im selben Zeitraum verkleinert.
Bemerkenswert, denn im selben Zeitraum verzeichnete die Raiffeisenbank Russland, wie „Forbes“ schreibt, einen „außerordentlichen Zufluss von Kundengeldern“ – bedingt durch tiefere Zinsen und die Einführung von Provisionen.
Die Sprecherin erklärt den deutlichen Anstieg der Bilanzposten auch mit der Stärke des US-Dollars und der Aufwertung des russischen Rubels. Aufgrund des Ausschüttungsverbots von Dividenden seitens der Russischen Föderation verbleibe der Gewinn der Raiffeisen Bank Russland „vollständig bei ihr und dient zur Stärkung ihrer Eigenkapitalausstattung“.
„Setzen alle Sanktionen um“
So oder so: Das RBI-Russland-Geschäft wird wohl weiterhin polarisieren. Das liegt auch am einen oder anderen illustren Kunden, der zumindest in der Vergangenheit der Raiffeisen vertraut hat. Bekannte Beispiele sind die umstrittenen Oligarchen Oleg Deripaska und Dmytro Firtasch, Berichten zufolge beide angeblich nicht mehr bei der RBI.
Zu etwaigen Kundenbeziehungen könne man sich laut RBI-Sprecherin aufgrund des Bankgeheimnisses nicht äußern. Man setze zudem „selbstverständlich“ alle Sanktionen um. Sowohl Deripaska als auch Firtasch gelten als Kreml-nah, auch wenn sich die zwei Oligarchen mit Beginn des Krieges in Distanzierung übten. Deripaska jedenfalls hat das nicht geholfen, er steht nach anfänglichem Zögern auf der EU-Sanktionsliste.
(wb)
Titelbild: APA Picturedesk (AFP/Kirill KUDRYAVTSEV)